Wasserversorger steigen aus US-Leasing aus

OB Schuster lehnt politische Verantwortung ab

Landes- und Bodenseewasserversorgung steigen vorzeitig aus ihrem Cross-Border-Leasing aus. Sie hatten Anlagen an einen US-Investor vermietet und zurückgemietet. Der Ausstieg kommt genauso teuer wie die andernfalls nötige Restrukturierung der Verträge. Daher steigt der Wasserpreis.

Das Angebot aus den USA, die Verträge aufzulösen, erreichte die Geschäftsführer der Verbände am Dienstag um 20.09 Uhr überraschend. Der Investor, die Wachovia-Bank, hatte zuvor gemauert. Die Wachovia war selbst erst vor Wochen im Zuge der US-Finanzkrise übernommen worden.

Um die Verträge aufzulösen, muss die Landeswasserversorgung (LW) 94 Millionen, die Bodenseewasserversorgung (BWV) 112 Millionen Euro zahlen. Der Großteil dieser Summen ist in Wertpapieren in den USA gebunden, der fehlende Rest muss zugeschossen werden. Der Ausstieg hat für den Verbandsvorsitzenden, den Stuttgarter OB Wolfgang Schuster (CDU), und die Mehrheit der Verbandsmitglieder oberste Priorität. „Das will doch keine Sau, dass dieses Damoklesschwert noch 20 Jahre über uns schwebt", sagte Schusters Stellvertreter, der Esslinger OB Jürgen Zieger (SPD). Die Verträge waren erst in 20 Jahren kündbar. Turbulenzen auf den Finanzmärkten hätten die Versorger zu einem kostenträchtigen Wechsel des US-Leasingpartners (AIG) und zum Wechsel von Wertpapieren auf US-Staatsanleihen gezwungen. Die Versammlungen stimmten fast geschlossen für den Ausstieg. Bis Freitag müssen die Versorger sich gegenüber Wachovia erklären.

Verworfen wurde der Vorschlag des Tübinger OB Boris Palmer (Grüne), die Verträge nicht mehr zu bedienen: Das Risiko, für 170 bis 200 Millionen US-Dollar wegen Vertragsbruchs geradestehen zu müssen, bewertete Schuster als zu hoch. Palmer war dagegen nicht bereit „einen Freibrief zu unbekannten Kosten" zu erteilen. „Diese Entscheidung überlasse ich Ihnen nicht mehr in gutem Vertrauen", kritisierte er Schuster. Auch bei einem Ausstieg müssen die Versorger, die bereits im November 50 Millionen Euro für die Umschichtung genehmigten, nachlegen. Die LW braucht nochmals rund elf, die BWV rund 13 Millionen Euro. Damit rutscht das Leasing mit zwölf Millionen Euro ins Minus.

Die Zweckverbände erhöhen wegen des Verlusts ihre Preise. Die LW schlägt um 2,34 Cent pro Kubikmeter, die BWV um 2,9 Cent auf. Es sei „sicher unrealistisch" zu glauben, dass die Endversorger den Aufschlag auffangen könnten, sagte Jürgen Zieger.

OB Schuster schlug im Esslinger Neckar-Forum zeitweise eine frostige Stimmung aus dem Plenum entgegen. Eine ganze Reihe von Bürgermeistern kritisierte die mangelnde Information der Verbände an ihre Mitgliedskommunen. Viele Bürgermeister standen deshalb ohne Mandat ihrer Gemeinderäte da, einige konnten nicht mitstimmen.

„Auf ein solches Risiko ist die Verbandsversammlung nicht hingewiesen worden", stellte Bernhard Richter, Bürgermeister von Reichenbach (Kreis Esslingen), fest. „Bei uns herrscht erhebliches Unbehagen, wir tappen im Dunkeln", bestätigte Angelika Matt-Heidecker (SPD), OB in Kirchheim /Teck. Schorndorfs OB Matthias Klopfer (SPD) kritisierte Schuster direkt: „Ich hätte erwartet, dass Sie sich heute entschuldigen."

Schuster; der von den Verbandsmitgliedern im November 2008 für vier Jahre als Vorsitzender gewählt wurde, wich der Frage aus, ob er politisch die Verantwortung für das Minus-Geschäft übernehme. Das Cross-Border-Leasing sei „gemeinsam diskutiert, abgewogen und entschieden" worden, und zwar nicht, „um uns persönliche Vorteile zu verschaffen". Es habe stattdessen „viel Arbeit, viel Ärger und viel Verlust" eingebracht. Jürgen Zieger sage dazu: „Politische Verantwortung für das Einfädeln dieses Geschäfts trage ich nicht." Er sei als Sprecher von Mitgliedern zuständig, „eine Lösung zu finden, wie man damit umgeht". Er habe aber auch kein Problem damit zu sagen: „Es tut mir leid." Der Lerneffekt werde „äußerst nachhaltig", sein.

Info

Der Ausstieg der Wasser-Zweckverbände aus den US-Mietgeschäften treibt den Wasserpreis für sieben Millionen Endkunden in die Höhe. Bodensee- und Landeswasserversorgung verlangen pro Kubikmeter (1000 Liter) 2,9 und 2,34 Cent mehr (42,94 und 40,03 Cent pro Kubikmeter). Die Regionalversorger reichen den Aufschlag in der Regel weiter: Eine vierköpfige Familie zahlt pro Jahr bei 180 Kubikmeter Verbrauch 5,22 oder 4,21 Euro mehr. ks

 

KOMMENTAR

Lehrgeld

VON KONSTANTIN SCHWARZ

Zwölf Millionen Euro Verlust! Vielleicht kommt bis zum endgültigen Ausstieg noch die eine oder andere Million dazu: Selten hat die öffentliche Hand mehr Lehrgeld bezahlt als im Fall der beiden großen Wasserversorger im Land. Die Zeche müssen die Abnehmer, sieben Millionen Kunden, begleichen.

Dabei gab es in Sachen Cross-Border-Leasing vor Jahren warnende Stimmen. Doch wer wollte schon auf die aus den USA versprochenen Millionen verzichten? Die Vermittler aus dem Hause Debis versprachen schnelles Geld ohne Nebenwirkungen und kassierten Boni. Die Mehrzahl der Verbandsmitglieder, im Hauptberuf meist brave Bürgermeister oder Oberbürgermeister, erlagen dem Glauben, „Blei zu Gold machen zu können", räumt Esslingens OB Jürgen Zieger als stellvertretender Verbandsvorsitzender heute ein. Kein Verbandsmitglied hat die Verträge je gelesen.

Das Märchen von der wundersamen Geldvermehrung (auf Kosten des US-Steuerzahlers) hat am Mittwoch kein gutes, sondern ein Ende mit Schrecken gefunden. Auf ein paar bedauernde, selbstkritische Worte von der gesamten Verbandsspitze und der Geschäftsführung wartete man vergebens. Aber was sind schon zwölf Millionen?

Von Annette Mohl und Konstantin Schwarz, Stuttgarter Nachrichten vom 19.02.2009
www.stuttgarter-nachrichten.de

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