Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Eichmüller
Diesem Optimismus stehen allerdings in der Realität noch viele Hindernisse gegenüber. Eine Kornwestheimer Bürgerinitiative gegen die Bebauung in unmittelbarer Nähe ihrer Gemarkung droht mit einer Normenkontrollklage vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Auch der Nachbarschaftsverband legt sich quer. Vor einer notwendigen Änderung des Flächennutzungsplans, der bisher rund um den Viesenhäuser Hof landwirtschaftliche Nutzung vorsieht, verlangt der Verband zwischen Kornwestheim und Stuttgart eine einvernehmliche Lösung bei der Verkehrserschließung für den ersten Bauabschnitt.
Doch auch die Architekten müssen noch einen Teil ihrer Hausaufgaben machen. Die zwei zweiten Preise (ein erster Preis wurde nicht vergeben), die an das Frankfurter Büro Sperr und Partner sowie an Tegnestuen Vandkunsten in Kopenhagen gingen, konnten die Jury nicht ganz überzeugen. „Der Verbrauch der freien Landschaft wurde mit rund 45 Hektar nicht restriktiv genug gehandhabt", sagte Bruckmann. Nach Süden griffen die Vorschläge zu weit über die Fläche hinaus, die dem Bund gehört, und nach Norden werde das schützenswerte Gebiet Mussenbachtal zu stark beschnitten. Eine Frist für die Überarbeitung „unter dem Aspekt der größtmöglichen Rücksichtnahme auf Natur und Landschaft" wurde noch nicht gesetzt. Bruckmann geht davon aus, daß die neuen Pläne bis Ende Mai vorliegen werden.
Die neun eingereichten Vorschläge sehen Gebäude mit maximal 18 Stockwerke vor. „90 Prozent der Bauten sind allerdings höchstens viergeschossig", sagte Bruckmann. Der Kopenhagener Entwurf sieht für das Wohnquartier einzelne quadratische Baufelder mit rund 120 Meter Seitenlänge vor. Ein breiter Grünstreifen reicht von Norden bis ins Zentrum von „Viesenhausen". Der Frankfurter Vorschlag zeigt eine „Stadt im Park" mit einer langen Allee, an die sich flügelförmig die Wohnbebauung anlehnt. Der dritte Preis ging an das Stuttgarter Büro Lutz und Partner. Sämtliche Pläne und Modelle sind bis nächsten Samstag täglich von zehn bis 17 Uhr in der Turn- und Versammlungshalle Mühlhausen, Arnoldstraße 10, zu sehen.
Bei den Kaufverhandlungen für das Areal, das überwiegend im Besitz des Bundes ist, konnte Rolf Lehmann einen Erfolg vermelden. „Wenn die Pläne überarbeitet sind, ist der Kauf nur noch eine Frage von wenigen Tagen." Die Forderung es Bundes, auf ihrem Gelände 70 Prozent Sozialmietwohnungen zu erstellen, sei kein Problem. Wenn etwa 1000 Wohnungen auf privater Fläche errichtet würden, belaufe sich der Gesamtprozentsatz der Sozialwohnungen in Viesenhausen auf rund 50 Prozent.
Die Kosten für das gesamte Neubauprojekt dürfte nach den Schätzungen der beiden Bürgermeister die Milliardengrenze übersteigen. Die Wohnbebauung dürfte 700 Millionen Mark (35,8 Mio. €) kosten, Kindergärten, Turnhalle, Schule, Gemeindezentrum und ähnliche Einrichtungen erfordern weitere 100 Millionen Mark (51 Mio. €). 200 bis 250 Millionen Mark (102 bis 128 Mio. €) sind für die Verkehrsanbindung und die sonstige Infrastruktur anzusetzen.
Vorerst existiert das Bauprojekt Viesenhäuser Hof nun als Idee und
als Modell
Daß aus den Plänen für den Viesenhäuser Hof trotz vieler
Widerstände einmal Realität wird,
davon zeigten sich Wirtschaftsbürgermeister
Rolf Lehmann (links) und Baubürgermeister
Hansmartin Bruckmann bei der Vorstellung der Ergebnisse des Ideenwettbewerbs
für den
neuen Stadtteil überzeugt. Die meisten der Entwürfe zeichneten sich durch
einen zu großen Flächenbedarf aus. Foto: Uli Kraufmann
Wie fühlt man sich als Baubürgermeister, wenn wieder
ein Architektenwettbewerb für ein Projekt abgeschlossen ist, dessen
Realisierung alles andere als gesichert ist?
Ich kann diese Einschätzung einer Unsicherheit bei der Realisierung nicht
teilen. Fest steht, daß wir in Stuttgart mehr Wohnungen brauchen, und
fest steht auch, daß der Gemeinderat mehrheitlich die Notwendigkeit
sieht, dieses Projekt auf jeden Fall zu verwirklichen. Übrigens, nach
meiner Erfahrung ist es ganz natürlich, daß das Planungsverfahren,
in dem wir uns jetzt ja noch befinden, Einsprüche von vielen Seiten herausfordert.
Wie sehen Sie denn nun die Chancen der Realisierung? Oder bleibt
Viesenhausen vielleicht doch nur ein Wunschtraum?
Das sicherlich nicht. Die Rahmenbeschlüsse im Gemeinderat werden noch
vor der Sommerpause gefaßt. Ich glaube, daß wir mit dem ersten
Bauabschnitt, das sind etwa 200 Wohnungen, im nächsten Frühjahr beginnen
können. Die Realisierung des Gesamtprojekts wird noch Jahre dauern und
uns bis ins nächste Jahrtausend hinein beschäftigen.
Hat die Stadt bei den Vorbereitungen für das Projekt Viesenhäuser
Hof in den letzten Monaten Fehler gemacht?
Niemand hat Fehler gemacht. Richtig ist aber, daß es bei der Entwicklung
in der letzten Zeit einen gewissen Stillstand gegeben hat.
Gab es Fehler im Umgang mit den Nachbarn, beispielsweise mit
Kornwestheim?
Wir haben die Probleme von Anfang an mit Kornwestheim besprochen, und wir werden
auch in Zukunft die Kommunikation so weit wie nur irgend möglich fortsetzen
und die Planungen abstimmen.
Welchen Einfluß haben die archäologischen Ausgrabungen
beim Viesenhäuser
Hof auf den zeitlichen Ablauf des Projekts?
Die Archäologie hat mit uns ihre Grabungszeiten abgestimmt. Die ersten
acht Hektar sind im kommenden Frühjahr für den Baubeginn frei.
Interview: eim
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