Zazenhausen hatte einiges an Hoffnungen in das 1200-Jahr-Jubiläum 1988 gesetzt

Noch Wünsche offen für das Jahr 1201

Einige Projekte sind bereits in Gang gekommen - „Der Riesenaufwand hat sich gelohnt"

Zazenhausen. Da war doch was, in diesem 1300-Seelen-Dorf am äußersten Rand Stuttgarts ... Geburtstag war im vergangenen Jahr, der 1200. Ein Anlaß für viele Besucher, festzustellen, welch idyllischer Ort da unweit von Großstadtlärm, Druck und Hektik i m Grünen gleich hinter Zuffenhausen liegt. Doch die Idylle trügt. Seit vielen Jahren kämpfen die Zazenhäuser. Kämpfen um, sollte man meinen, Selbstverständlichkeiten: eine vernünftige Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz, eine Versammlungshalle, den Fortbestand der kleinen Schule.

„Das Jubiläum kommt gerade recht", hatten sich die Zazenhäuser gesagt, ein prächtiges Jubiläum inszeniert und dabei die einmalige Publicity genützt, um ihren Wunschzettel sichtbar aufzuhängen. Mit Transparenten statt mit launigen Festreden, mit einem Forderungskatalog statt mit freundlichen Worten empfingen die 1.300 Bürger Oberbürgermeister Rommel beim offiziellen Festakt. Schwarz auf weiß konnte jeder nachlesen, wie es um den kleinen Stadtteil bestellt ist - in einem 320-Seiten-Werk, das der überaus rührige Bürgerverein zum Jubiläum herausgegegen hatte.

„Der Aufwand hat sich gelohnt", meint Zuffenhausens Bezirksvorsteher Wolfgang Meyle, dessen Part - Mittler zwischen Stadt waltung und aufgebrachten Zazenhäuser mit ihren allzu verständlichen Forderungen - nicht der einfachste war. Zum Kombiprojekt (Schule, Feuerwehrgerätehaus, Mehrzweckhalle) hat der Stuttgarter Gemeinderat immerhin schon „ja" gesagt. Irgendwann werden die kleinen Zazenhäuser also in eine vierklassige Grundschule gehen können und müssen nicht mehr schon nach dem zweiten Schuljahr „raus ausm Flecka". Die Post geht nicht ab, sie bleibt da, ebenso der einzige Lebensmittelladen, für den sich ein neuer Betreiber gefunden hat.

Mit kleinen Schritten und größeren Verschnaufpausen geht auch die Ortserweiterung voran. Rudolf Thom, der Vorsitzende des 160 Mitglieder zählenden Bürgervereins fürchtet, daß den Planern die Puste ausgehen könnte, denn eines der drei Neubaugebiete hängt gerade an Schwierigkeiten mit dem Grunderwerb. Oder die Mehrzweckhalle, die ursprünglich 15 x 18 Meter groß hätte gebaut werden sollen, ist inzwischen auf 10 x 12 Meter geschrumpft. „Was heißt denn da noch Halle", fragt sich mancher Zazenhäuser. Dennoch: das Fazit, nachdem Jubiläumseuphorie und Feststimmung wieder dem Alltag gewichen sind, ist eher positiv. „Wünsche hätten wir natürlich noch eine ganze Menge", sagt Meyle. „Wir haben noch nicht erreicht, was wir wollten", sagt Thom. Klar, „in der Planung" heißt noch nicht, daß auch wirklich in absehbarer Zeit etwas passiert. Amtes Mühlen mahlen nun mal langsam. Aber selbst wenn Kombiprojekt, Ortserweiterung, Post und Schule in die Realisationsphase. gehen und wenn das Sammeltaxi-Projekt - Busersatz von 20 Uhr an und am Wochenende - weiterläuft: von Friede, Freude, Eierkuchen keine Spur.

Da gibt's den Fußballverein, der kurz vor dem Aufstieg steht: Auf einem Acker, durch den ein öffentlicher Verkehrsweg führt, trainieren die Sportler. Vereinsheim? „Ein Problem, das mit einem Streichholz erledigt wäre." Oder der „Fremdenverein", die vielen Pendler, die zweimal täglich aus Richtung Mühlhausen über den „Schleichweg" Zazenhausen hereinbrechen. Und die alte Schweinemastanstalt, der „Schandfleck" schlechthin. Die Renaturierung des Feuerbachs, der sich lustlos durch eine Betonrinne quält, Geh- und Radwege - es sind noch genug Wünsche da. „Immer mehr Leute bei der Stadt begreifen, daß etwas getan werden muß", stellt Thom zuversichtlich fest. Gemütlich im Sessel zurücklehnen ist trotzdem für die Zazenhäuser nicht drin. „Das Eisen schmieden, solange es heiß ist", heißt die Devise. Denn bis zum 1300. Geburtstag mag keiner warten.


Zazenhausen: ein Dorf am Rande der Großstadt, Foto: Andreas Weise

Von bb, aus einer Zeitung 24. Januar 1989

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