Den Pferdefuß amputieren

Noch immer blockiert die B 29 die Entwicklung Zazenhausens

"Wir müssen eben den Pferdefuß amputieren!" So umschrieb der Leiter des Stadtplanungsamts, Baudirektor Albert Ackermann, vor dem Zuffenhäuser Bezirksbeirat die planerischen Aufgaben für den Stadtteil Zazenhausen. Mit dem Pferdefuß, an dem alle schönen Pläne zur Ortserweiterung bisher hinkten und deshalb nicht verwirklicht werden konnten, ist die ungeklärte Trasse für die Nord-Ost-Umgehung Stuttgarts, die Bundesstraße 29, gemeint, die früher auch unter der Bezeichnung A 87 gehandelt wurde.

Die ursprünglich geplante Führung dieser Straße, wie sie im gültigen Flächennutzungsplan 1974 noch eingezeichnet ist, verläuft teilweise über die Flächen, die für den neuen Flächennutzungsplan als Wohnbaugebiete angemeldet sind und blockiert somit eine rasche Erstellung dieser Wohngebiete. Andererseits ist einer rasche Ortserweiterung Zazenhausens notwendig, um den Stadtteil lebensfähig zu erhalten, der mit Hausen und Rotenberg zu den drei Problemstadtteilen Stuttgarts gehört.

Bezirksvorsteher Walter Frank machte dies anhand von Zahlen deutlich: im Jahre 1971 wohnten in Zazenhausen noch ein 1607 Einwohner, während es heute nur noch 1341 sind. Und Albert Ackermann sekundierte: An funktionierenden Infrastruktureinrichtungen gäbe es in Zazenhausen praktisch nur den Kindergarten und den Friedhof. Kurzfristig wolle man vom Stadtplanungsamt her im Kernbereich Blankensteinstraße/Spitalhofstraße durch Straßenbelagsänderungen, Pflanzung von Bäumen und Ruhezonen das Wohnumfeld des Stadtteils verbessern, berichtete Ackermann. Entsprechende Pläne würden dem Bezirksbeirat im Frühjahr vorgelegt.

Das Hauptinteresse der Bezirksbeiräte galt aber nicht solchen Maßnahmen, sondern der Frage, wann endlich mit einer nennenswerten Ortserweiterung zu rechnen sei, die allein für das Überleben der Stadtteils maßgebend ist. Und da konnte der oberste Stuttgarter Stadtplaner nicht viel Neues berichten. Noch immer habe sich der Nachbarschaftsverband noch nicht auf eine Trassenführung für die B 29 geeinigt. Man stehe weiterhin mit den Nachbargemeinden in Verhandlungen, die "sicher im Laufe des nächsten Jahres" zu einer endgültigen Klärung führen würden."

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", war die Reaktion von Roland Hindelang (SPD) auf dieses Versprechen. Und CDU-Sprecher Hans Rupp erinnerte daran, dass man "seit wer weiß wieviel Jahren" über die Nord-Ost-Umgehung diskutiere, die Entwicklung Zazenhausens seither blockiert werde und man immer mit Verhandlungen vertröstet worden sei. Auch der Nutzen der Straße und die Chancen ihrer Verwirklichung wurden angezweifelt, da zur Zeit niemand die Straße wolle, was Baudirektor Ackermann bestätigen musste. Vor 1990, das sei sicher, erläuterte er, werde die Straße auf keinen Fall gebaut. Und Otto Krehl kündigte von Seiten der Landwirte Zazenhausens erbitterten Widerstand gegen das Projekt an, wenn die Trasse auf Zazenhäuser Markung festgeschrieben werden sollte.

Für Albert Ackermann sieht der Zeitplan für die Ortserweiterung in den Hohlgrabenäckern so aus: Der neue Flächennutzungsplan, in dem eine neue Trasse weiter im Norden enthalten sein soll, trete voraussichtlich 1983 in Kraft. Bis dahin werde man, vorausgesetzt der Gemeinderat stimmt zu, einen Wettbewerb zur Gestaltung dieses neuen Wohngebiets für rund 1100 Einwohner und die entsprechenden Bebauungsplanverfahren einleiten, so dass nach Inkrafttreten des Flächennutzungsplanes bald gebaut werden könne.

Es gibt aber ein weiteres Problem, dass die Verwirklichung des Wohngebiets Hohlgrabenäcker verzögern oder verhindern könnte: Die Lärmbelästigung durch die Bahnlinie mit dem Viadukt. Denn auch nach dem Bau des geräuschärmeren neuen Viadukts wäre der Schallpegel im Bereich Hohlgrabenäcker noch überverhältnismäßig hoch, was auch Albert Ackermann bestätigte. Bezirksvorsteher Frank forderte den Planungschef auf, alles zu tun, damit schon jetzt, im Zuge des Viadukt-Neubaus, von der Bundesbahn entsprechende Schallschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Sonst, so der Bezirksvorsteher, laufe man in Gefahr, dass das Regierungspräsidium den Bebauungsplan nicht genehmigen werde.

Albert Ackermann erklärte demgegenüber, das ist nicht sicher sei, dass in den zur Zeit laufenden Verhandlungen mit der Bahn eine solche Zusage erreicht werden könne, betonte aber, dass der Bebauungsplan für die Hohlgrabenäcker auf jeden Fall Lärmschutzmaßnahmen beinhalten würden. Unter Umständen müssten diese allerdings auf die Erschließungskosten angerechnet werden - eine Aussage, die heftiges Murren bei den zahlreichen im Sitzungssaal anwesenden Bürgern auslöste.

Einstimmig forderte der Bezirksbeirat am Ende der Diskussion die Stadtverwaltung auf, mit Nachdruck schnellstens zu klären, "ob, wann und wie die B 29/A 87 geführt werden soll. Für das Wohngebiet Hohlgrabenäcker solle schnellstens einen Bebauungsplan aufgestellt, und dem Bezirksbeirat bald wieder über die Planungsfortschritte berichtet werden."

Als nächster Tagesordnungspunkt war nochmals Zazenhausen an der Reihe. Baudirektor Wenzel Hopf legte einen Bebauungsplan für die Kirchäcker vor. Er umfasst nur ein Teil der für den neuen Flächennutzungsplan angemeldeten Fläche, weil der andere rechtlich noch für die alte B-29-Trasse reserviert ist. Etwa 150 neue Einwohner könnte Zazenhausen durch diese Teilbebauung der Kirchäcker mit 32 Häusern für ein bis zwei Familien gewinnen - ein "Nasenwässerle", wie sich Bezirksvorsteher Walter Frank ausdrückte. Der Bezirksbeirat stimmte der Planung für diesen ersten kleinen Abschnitt eine Ortserweiterung zu. Wenn keine Einsprüche eingelegt werden, so Buchdirektor Ackermann, könne der Bebauungsplan im Sommer 1980 rechtskräftig werden und im Frühjahr 1981 mit den Erschließungsarbeiten begonnen werden.

Von ke, aus der Zeitung Nordstuttgarter Rundschau, Dezember 1979

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