"Nordostring wäre ein Kahlschlag für die Umwelt"

Gegner der Trasse werten Gutachten des Regierungspräsidiums aus
Kritik an Untersuchungsmethoden

Kornwestheim -Der Widerstand gegen den Nordostring wächst - obwohl der Elf-Kilometer-Trasse im Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes (BVP) keine Chancen eingeräumt werden. Die Ergebnisse der vom Regierungspräsidium in Auftrag gegebenen Gutachten stellte die Arbeitsgemeinschaft Nord-Ost jetzt vor.

Annette Schade-Michl ist urlaubsreif. In zwei Wochen hat sie mit ihren Mitstreitern von der Arbeitsgemeinschaft (Arge) vier Gutachten durchgeackert. Allein die Umweltverträglichkeitstudie ist 330 Seiten stark. "Eigentlich müsste der Staat die Bürger über den Nordostring informieren", sagt Schade-Michl, zugleich Vertreterin vom Stuttgarter Arbeitskreis des Landesnaturschutzverbandes. "Doch da er es nicht tut, machen wir es." Die Arge hat deshalb am Donnerstag in Kornwestheim ihre Auswertung der größtenteils erst seit Mitte Mai vorliegenden Analysen präsentiert. Bis Ende Juli müssen die fünf vom Stuttgarter Nordostring betroffenen Kommunen und Träger öffentlicher Belange Stellungnahmen zu den Straßenvarianten abgeben - der Landesnaturschutzbund ist einer davon. Voraussichtlich im Herbst will der Bundestag über den BVP entscheiden, der dem Nordostring nur einen "weiteren Bedarf" attestiert.

Seit acht Jahren wehren sich die 30 in der Arge zusammengeschlossenen Organisationen gegen die "Zerstörung der Heimat" und protestieren gegen den Bau der 26 Meter breiten Asphaltpiste, die nördlich von Fellbach den Neckar überqueren und bei Kornwestheim an die B 27 anschließen soll.

In ihren Befürchtungen bestätigt fühlen sich die Trassengegner durch eine Umweltverträglichkeitsstudie, die das Regierungspräsidium neben den Verkehrs-, Lärm- und Immissionschutzanalysen erstellen ließ. Die Gutachter kommen darin zu dem Schluss, dass keine der Varianten "unter den Gesichtspunkten des Arten- und Biotopschutzes als vertretbar erscheint", zitiert Arge-Mitglied Gerlinde Märtterer-Brandl von der Initiative für den Erhalt des Schmidener Feldes. Mehr noch: Der Eingriff sei nicht ausgleichbar. Märtterer-Brandl fordert deshalb den Stopp der bereits begonnenen Waiblinger Westumfahrung, die in den Nordostring integriert werden könnte.

Massive Kritik äußert die Arge auch an den Untersuchungsmethoden in den Verkehrs- und Lärmanalysen. Die Experten seien dabei von dem im Jahr 2000 bestehenden Straßennetz ausgegangen und hätten nicht berücksichtigt, dass Maßnahmen wie etwa der Bau des Pragsattel- und des Rosensteintunnels zu Entlastungen führen würden. Bemängelt wird zudem eine fehlende Verkehrsprognose. "Neue Straßen ziehen mehr Fahrzeuge an", ist sich Schade-Michl sicher. Schlampige Recherche wirft die Arge den Lärmexperten vor: Bei ihren Untersuchungen hätten diese mit Werten gearbeitet, die in den Abend- und Nachtstunden anfallen, nicht jedoch tagsüber. "Für die Umwelt", sagt Arge-Mitglied Joseph Michl, "ist der Nordostring ein Kahlschlag."

Von Kerstin Ruchay,
Stuttgarter Nachrichten, "Region Stuttgart" vom 06.06.2003
www.stuttgarter-nachrichten.de

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