Deutungsschlacht um die Andriof-Brücke

Ja, ist die Abspeckung denn nun beschlossene Sache oder ist sie nicht? - Darüber tobt derzeit ein Papierkrieg

Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schwarz

Waiblingen.
Zu einer wahren Pressemitteilungsschlacht, einem regelrechten Papierkrieg hat sich der Streit um die so genannte "Andriof-Brücke" ausgewachsen: In der Landtagsdebatte vom Mittwoch (wir berichteten) seien die Weichen für eine abgespeckte Brücke gestellt worden, glaubt die FDP. Von wegen, warnt die SPD.

Am Mittwoch ist die Landtags - SPD gescheitert mit ihrem Antrag, das Planfeststellungsverfahren für die Neckarquerung bei Aldingen zu stoppen - CDU und FDP stimmten geschlossen dagegen; auch Christoph Palm (CDU) und Ulrich Goll (FDP), obwohl sie selber gegen eine Brücke in der bisher geplanten
Größe sind.
In der Tat, erklärt Goll nun via Pressemitteilung, "in der vorliegenden Planung ist die Brücke überdimensioniert, autobahntauglich und deshalb inakzeptabel". Es folgt das große Aber: Staatssekretär Köberle (CDU) habe im Landtag "ausreichend deutlich gemacht", dass das Regierungspräsidium seine Brückenplanung abspecken werde von drei auf zwei Spuren. Ein Stopp des Planfeststellungsverfahrens sei deshalb nicht angebracht - möglicherweise wolle die SPD ja "überhaupt keine Brücke" und "die Pendler im Regen stehen" lassen.

Altpeter setzt nach

Falsch, pressemitteilt Katrin Altpeter (SPD): Köberle habe "keinerlei verbindliche Zusage" gemacht, die Brücke deutlich zu verkleinern. Wörtlich hatte Köberle lediglich versprochen, dass das Thema Abspeckung "geprüft" werde. Deshalb hat die SPD bereits "einen erneuten Antrag im Landtag eingereicht, um die Landesregierung zu einer verbindlichen Erklärung zu zwingen". Mit einer "vagen Ankündigung" will sich Altpeter "nicht zufrieden" geben zumal es nach wie vor "maßgebliche Kräfte in der CDU" gebe, die sowohl die Andriof - Brücke als auch einen daran anschließenden Nordostring übers Schmidener Feld "vorbehaltlos propagieren". Altpeters Fazit: "Erst wenn die Andriof-Brücke verbindlich vom Tisch ist, kann mit einer breiten Zustimmung für eine angemessene Neckarquerung gerechnet werden. "

Wolff zeigt's allen

Der Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff, FDP, dagegen sieht nach Köberles Äußerung den Weg frei für eine kleinere Brücke. Wenn die "völlig inakzeptabel" Großbrücke auf die von Goll geforderten Maße runtergetrimmt würde, wäre aus Wolffs Sicht gar ein neuer Spitzname für die Neckarquerung fällig: Was bisher "Andriof-Brücke" genannt werde, müsse künftig "Goll-Brücke" heißen.
Wolff kritisiert nicht nur die "sozialdemokratische Verweigerungshaltung" - er tritt auch dem CDU-Bundestagskollegen Joachim Pfeiffer ans Schienbein: Pfeiffer, der ebenso wie die Junge Union Fellbach/Waiblingen für eine große Brückenlösung und eine Straße übers Schmidener Feld wirbt, solle endlich "begreifen, dass man mit Maximalforderungen und Autobahnfantasien nicht mehr vorankommt".

Lenk wird rigoros

Auch Ulrich Lenk, Vorsitzender der FDP/FW-Fraktion im Kreistag, meldet sich zu Wort: Jetzt müsse die Landesregierung dem Regierungspräsidium endlich "konkrete Anweisungen" geben, damit die "überzogenen, gegenüber den Menschen und der Natur unverantwortlichen" Brückenpläne vom Tisch kommen. Lenk will eine niedrigere, schmalere, nicht autobahntaugliche Brücke - und eine Straße übers Schmidener Feld lehnt er "rigoros" ab.
Und das Regierungspräsidium? Schickt auch eine Pressemitteilung.

Andriof fühlt sich bestätigt

In der Tatsache, dass der Landtag den Plan-Stopp-Antrag der SPD abgeschmettert hat, sehe Regierungspräsident Udo Andriof "einen Vertrauensbeweis" für die Arbeit seiner Behörde.
" Selbstverständlich" würden "alle Einwendungen, Anregungen und Alternativen sorgfältig geprüft" - ein Planfeststellungsverfahren sei ja sowieso "immer ergebnisoffen zu führen". Auch die Frage, wie "leistungsfähig", sprich: wie groß und breit die Brücke sein müsse, werde erörtert.
Kurzum: Das Statement aus dem Hause Andriof ist genauso deutungsbedürftig wie Köberles so genannte "Zusage" im Landtag.
Allerdings heißt es in der Pressemitteilung des Regierungspräsidiums immerhin auch: Andriof wolle sich "um einen möglichst breiten Konsens" mit den Streitparteien vor Ort bemühen.

Worum es geht: Der Brückenstreit

Derzeit verbindet nur die heillos überlastete Neckarbrücke in Neckarrems die Räume Ludwigsburg/Kornwestheim und Waiblingen/Fellbach. Aber eine zweite Brücke bei Aldingen ist in Planung - die so genannte "Andriof-Brücke“.
Offiziell hat sie den Zweck, im Stau steckende Pendler und Lastwagenfahrer aus der Region und die im Verkehr erstickenden Anwohner von Neckarrems zu erlösen.
Kritiker behaupten aber, die Brücke habe in Wahrheit einen ganz anderen, weit über die regionale Entlastungsfunktion hinausreichenden Zweck: Sie solle als Einstiegsrampe in einen Nordostring quer durch das Schmidener Feld dienen. Solch eine Straße aber werde auf Dauer keine Verkehrsentspannung bringen, sondern im Gegenteil den Lkw-Fernverkehr anziehen, der über Andriof-Brücke und Schmidener Feld einen schnellen Durchschlupf von der A 81 auf die A 8 fände.
Dass es in Wahrheit darum gehe, beweise die überzogene Brückengröße - bis zu 23 Meter hoch, 15 Meter breit und versehen mit drei Fahrspuren, zwei in östlicher, eine in westlicher Richtung. Dieses Bauwerk tauge obendrein haarscharf als erste Hälfte einer autobahnartigen Doppelbrücke mit vier Spuren und zwei Standstreifen.

Waiblinger Kreiszeitung vom 30.06.2007
www.waiblinger-kreiszeitung.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]