Zweispuriger Nord-Ost-Ring als schnelle Lösung?

Justizminister Goll:
Politische Führung im Land will Straßenplaner bremsen

Fellbach. Ein Spitzengespräch gab es vor kurzem in Stuttgart mit dem Thema Nord-Ost-Ring. Am Ende waren sich die Landespolitiker einig, dass nur eine zweispurige Lösung schnell zu realisieren ist, berichtete Justizminister Ulrich Goll im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Über die spätere Trassenführung und eine zierlicher ausfallende Neckarbrücke muss noch verhandelt werden", sagte Goll, der auch FDPAbgeordneter für den Wahlkreis Waiblingen ist. Die Situation sei angesichts überzogener Forderungen verfahren gewesen und drohte zur Nullnummer zu werden, so der Justizminister. Als die Industrie- und Handelskammer von ihren Forderungen für einen vierspurigen Nord-Ost-Ring abgerückt sei, habe sich die Chance für eine Lösung aufgetan.
Das jüngst im Auftrag des Regierungspräsidiums erstellte Verkehrsgutachten habe den Mehraufwand für eine vierspurige Nord-Ost-Ring-Trasse gegenüber einer zweispurigen Lösung in Frage gestellt. Es sei verständlich, dass die Straßenplaner immer für die optimale Lösung plädierten, so Goll. Auch der Regierungspräsident votiere nach wie vor für eine große Lösung. Bei einem Spitzengespräch von Goll mit Verkehrsminister Heribert Rech, Staatssekretär Rudolf Köberle, dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Stephan Mappus, Regierungspräsident Udo Andriof und Fellbachs OB Christoph Palm sei man zur Einsicht gekommen, einen zweispurigen Nord-Ost-Ring anzustreben. Die Forderung der Straßenplaner, zumindest eine dreispurige Trasse zu bauen, sei abzulehnen, sagt Minister Goll. Solche Pläne würden am Ende nur im Papierkorb landen. Lediglich eine dreispurige Auffahrt für die Steigungsstrecke nach der Neckarbrücke wäre denkbar. Allerdings räumt der Minister ein, dass man in dieser Frage dem zuständigen Staatssekretär und dem Regierungspräsidium „auf die Finger schauen" müsse.
Verschiedene Trassenführungen liegen nach der Veröffentlichung der Verkehrsstudie des Regierungspräsidiums inzwischen auf dem Tisch. Auch bei der Stadt Waiblingen würden derzeit vier mögliche Trassen zwischen dem Sportgelände des TV Oeffingen und Hegnach diskutiert. „Jedenfalls hat man jetzt die Perspektive, eine zweispurige Nord-Ost-Ring-Lösung zu bekommen. Sie muss ökologisch vertretbar sein und darf nicht quer durch das Schmidener Feld führen - allenfalls in einem Tunnel", sagt Goll.
Den derzeit geplanten Standort für eine neue Neckarbrücke bei Aldingen hält er nicht für schlecht, nur sollte sie etwas zierlicher ausfallen. Allerdings gebe es auch objektive Zwänge für die Planer, denn der Verkehr solle dort ja später fließen. Mit Christoph Palm habe er vereinbart, mit den Bürgermeistern der beteiligten Städte nochmals zu reden, damit keine weiteren Streitereien mehr auftauchten. Schließlich sei die jetzt ins Auge gefasste Lösung vertretbar. Beim Abschluss des Planfeststellungsverfahrens für die „Andriof-Brücke" müsse jedenfalls klar sein, wie die künftige Streckenführung aussehen wird. Fellbachs Alt-Oberbürgermeister Friedrich Wilhelm Kiel machte gegenüber Justizminister Goll deutlich, die Brücke müsse so gebaut werden, dass sie für einen späteren vierspurigen Ausbau nicht mehr in Frage komme. Sollte dies der Fall sein, wäre er bereit, eine zweispurige Trassenführung mitzutragen und auf eine Klage gegen den Nord-Ost-Ring-Bau zu verzichten. Letztere hätte nach Ansicht des von ihm und Mitstreitern beauftragten Anwaltsbüros gute Chancen auf Erfolg, da es Alternativen gebe, die bisher nicht untersucht worden seien. Schließlich denke er ökologisch, sehe aber auch das Wohl der Menschen. Wenn das Schmidener Feld gerettet werde, sei die Frage der Neckarbrücke zweitrangig, sagt Justizminister Goll. Er habe angesichts der zweispurigen Lösungsmöglichkeiten keine Sorge, dass eine autobahnähnliche Straße doch noch kommen werde. Was nachfolgende Generationen später einmal bauen wollten, sei allerdings offen.

Von Lothar Putschky
Stuttgarter Zeitung vom 22.06.2007
www.stuttgarter-zeitung.de

Doch Neues im Norden und Osten?

Nun stößt der aufmerksame Beobachter der Nord-Ost-Ring-Diskussion bereits auf den dritten Hinweis, dass die Entwicklung zu einem Konsens Tempo aufgenommen hat. Schon haben sich die CDU-Granden mit ihrem Kabinettskollegen Ulrich Goll aus der FDP verständigt, sagt dieser - in Richtung einer nicht mehr vier- und auch nicht dreispurigen Lösung, sondern einer zweispurigen Trasse. Und zweitens zeigte sich Palm beim FZ-Forum unserer Zeitung überraschend sicher, dass das Regierungspräsidium sich mit seinen Brückenplänen zwischen Aldingen und Mühlhausen noch bewegen wird, selbst wenn die Brücke wohl am Platz bleibt. Palm war bei dem Gespräch dabei.
Für Fellbach hieße dieses Entgegenkommen der Planer: Der Brückenschlag über den Neckar muss kleiner und niedriger werden, damit er nicht Teil einer Autobahn übers Schmidener Feld werden kann - der Autobahn durch die Hintertür.
Im Lichte dieser beiden Hinweise gewinnt eine unscheinbare Bemerkung von OB Palm vor dem Gemeinderat inhaltliche Konturen: „Politisch bewegt sich was", hat er vor wenigen Tagen gesagt, als der Gemeinderat nochmals seinen Standpunkt bekräftigte: Entlang bestehenden Straßen müsse die gewünschte Verbindung der beiden Wirtschaftsräume Waiblingen/Fellbach und Ludwigsburg/Kornwestheim auf einer zweispurigen Trasse verlaufen. Was in Fellbach schon unter Palms Vorgänger Friedrich Wilhelm Kiel als „Variante 4.3" aus einem fast vergessenen Gutachten als tragbarer Kompromiss und Lösung mit Augenmaß propagiert wurde.
Ist die Ringstraße nun nur noch ein Schreckgespenst, von dem sich die Politiker, wenn auch nicht die Planer, schon verabschiedet haben? Der weitere Verlauf des Planfeststellungsfahrens für die Brücke wird es erweisen. Noch zeigt sich Regierungspräsident Andriof unbeirrt, noch droht die Stadt Fellbach und droht Alt-OB Kiel als Privatmann zu deutlich mit einer Klage, als dass der Bürger sich schon beruhigt und sicher fühlen dürfte.
Schon zeichnet sich auch ab, wo ein solcher Kompromiss dem Erholung suchenden Bürger, der Landwirtschaft und der Natur weh und noch Leid tun könnte. Denn auch die zweispurige Straße darf nicht durch Hegnach, muss zwischen Waiblingen und Fellbach durch. Sie wird damit das Schmidener Feld oder Freiflächen bei Hegnach durchschneiden. Selbst der Preis für den Kompromiss ist hoch.

Von Hans-Dieter Wolz
Stuttgarter Zeitung vom 22.06.2007
www.stuttgarter-zeitung.de

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