Stadt ist gegen Brücke am Klärwerk

Verwaltung fürchtet Millionenklage von US-lnvestoren

Stuttgarter Norden. Die vom Regierungspräsidium (RP) gewünschte Neckarbrücke am Klärwerk in Mühlhausen steht auf wackligen Beinen. Die Verwaltung lehnt den Bau ab: Das Gelände ist an US-Trusts vermietet, es drohen der Stadt Schadenersatzklagen in Millionenhöhe. Der Gemeinderat soll nun am 7. Februar über eine Stellungnahme entscheiden.

Eigentlich hätten die Stuttgarter Stadträte bereits am vergangenen Dienstag im Umweltausschuss über eine Stellungnahme zum Thema Neckarbrücke beraten sollen. Doch dazu kam es nicht, weil die Verwaltung eine veränderte Beschlussvorlage mit neuen Argumenten präsentiert hat. Bereits in der- ursprünglichen Version hatten die Mitarbeiter, der Stadt ihre Bedenken bezüglich des Bauwerks über den Neckar als Teil eines möglichen Nord-Ost-Ringes zum Ausdruck gebracht, weil sich dadurch vor allem die Verkehrssituation in Stuttgart verschlechtern würde. „Die Realisierung der Neckarquerung führt auf Stuttgarter Gemarkung in Teilbereichen zu nachteiligen Verkehrsverlagerungen", heißt es in der Stellungnahme. Konkret rechnen die Verkehrsplaner im Stuttgarter Norden mit 1100 Autos mehr auf der Mönchfeldstraße und 1200 Autos auf der Mühlhäuser Straße in Hofen. Entlastet würden dagegen die Aldinger Straße, in Mühlhausen, die Mühlhäuser Straße sowie der Seeblickweg in Hofen.

Wesentlich schwerer scheint jedoch ein anderes, Argument zu wiegen. Nämlich drohende Schaden- ersatzforderungen aus den USA. Hintergrund ist, dass das Klärwerkgelände vor einigen Jahren im Rahmen eines so genannten Cross-Border-Leasing-Geschäftes (CBL) an US-Investoren veräußert wurde. Die Stadt hatte seinerzeit das Klärwerk an die Amerikaner vermietet, es sofort zurückgemietet und daraus erheblichen finanziellen Nutzen gezogen. Nun wird daraus ein - für manche nicht unwillkommener - Hemmschuh. „Das Stuttgarter Hauptklärwerk wird in seiner Funktionsfähigkeit, der möglichen Weiter- entwicklung und damit in seinem Vermögenswert massiv beeinträchtigt. Dadurch könnten erhebliche Schadenersatzansprüche aus dein US-Cross-Border-Leasing-Vertrag ausgelöst werden", heißt es in der Vorlage. Dieses Risiko müsse zuverlässig ausgeschlossen werden, es könne keine Führung der Trasse über das Klärwerksgrundstück geben. Geht es nach dem Willen der Stadtverwaltung, gibt es also keine Brücke, wie sie sich Regierungspräsident Udo Andriof wünscht. Der Stuttgarter Gemeinderat soll sich am 7. Februar erneut mit dem Thema befassen.

Die Position der SPD im Stuttgarter Gemeinderat zum Nord-Ost-Ring und zu der geplanten Brücke sei eindeutig, sagt Stadtrat Robert Thurner: "Der Nord-Ost-Ring durch die letzten großen Freiflächen im Norden Stuttgarts ist aus ökologischen Gründen nicht zu vertreten." Was die Brücke angehe, so sei es nach Ansicht der SPD empfehlenswert, eine Alternativvariante namens E/4.3 weiterzuverfolgen. Ein entsprechender Antrag liegt vor. „Wir wollen wegen einer: Brücke keine Mehrbelastung für Stuttgarter Bürger", sagt Thurner.

Mit der Brückenvariante E/4.3 am Alternativstandort zwischen dem Baumarkt Hornbach und dem Straßen- bahndepot könnte sich CDU-Stadträtin Ursula Pfau anfreunden. „Die aktuelle Entwicklung in dieser Sache hat sich schon abgezeichnet." Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte seien generell eine schwierige Sache: „Eingriffe ins Gelände am Klärwerk dürfen nicht so gelegt werden, dass wir Schadenersatz zahlen müssen oder dass die USA vorzeitig aus ihren Verträgen herauskommen. Wir wollen die Verträge einhalten." Auch mit einer Brücke am Alternativstandort sei der Nord-Ost-Ring nicht vom Tisch. „Die CDU hält den Nord-Ost-Ring nach wie vor für richtig und wichtig." Annette Schade-Michl von der Arge Nord-Ost ist da naturgemäß anderer Auffassung. "Die Stadt ist gut beraten, wenn sie die Brücke ablehnt, nicht zuletzt wegen der Bürger in Mühlhausen." Erkauft würde die ungenügende Entlastung der Remsecker Brücke mit einer starken Mehrbelastung im Süden von Aldingen, im Norden von Mühlhausen, in Kornwestheim, in Hegnach und in Oeffingen. Mehrbelastungen würden weiterhin in Teilen von Ludwigsburg und von Waiblingen auftreten. Jede neue Straßenverbindung führe zu mehr Verkehr. Auch von der 590 Meter langen Brücke am Straßenbahndepot hält Schade-Michl nichts: „Die Variante E/4.3 ist das kleinere Übel - aber Übel großgeschrieben."


Das Regierungspräsidium wünscht sich eine Brücke übers Klärwerk
und den Neckar. Dieser Plan könnte für die Stadt in mehrfacher
Hinsicht teuer werden. Archivfoto: z
Von Chris Lederer
Stuttgarter Nachrichten vom 26.01.2006
www.stuttgarter-nachrichten.de

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