Am Neckar auf Kollisionskurs

Stadt und Regierungspräsidium über
Brückenstandort und Nordostring uneinig

Die Stadt und das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart funken bei wichtigen Verkehrsprojekten auf unterschiedlicher Wellenlänge: Stuttgart lehnt eine Brücke über das Klärwerk Mühlhausen hinweg ab und begeistert sich auch nicht für den Nordostring.

Regierungspräsident Andriof bekommt es Anfang Februar wohl schwarz auf weiß: Für die Entlastung der Neckarbrücke in Neckarrems und die bessere Verbindung der Verkehrswege beidseits des Neckars im Raum Remseck sowie Fellbach/Waiblingen favorisiert Stuttgart die so genannte E/4.3-Trasse: eine Brücke über den Neckar beim Stadtbahnbetriebshof Remseck, nicht weiter südlich beim Stuttgarter Haupt- klärwerk. Diese von der Stadtverwaltung empfohlene Stellungnahme zur Neckarquerung der L 1197 ist am Dienstag vom Ausschuss für Umwelt und Technik wohlwollend aufgenommen worden, entschieden werden soll aber erst am 7. Februar. Die Ablehnung der Variante C 1, die sich das RP wünscht, weil diese Brücke leichter in einen Nordostring einbezogen werden könne, scheint aber sicher. Andriof und die Stadt sind damit auf Kollisionskurs.

Stadtverwaltung befürchtet Schadensersatzansprüche

"Wir werden die Stellungnahme gelassen zur Kenntnis nehmen und bewerten", sagte RP-Sprecher Marc Frank am Mittwoch dennoch. Gerechnet hatte die Behörde mit diesem Kurs nicht unbedingt, habe die Stadt doch früher eher Sympathie für C 1 erkennen lassen. Nun aber erklärte die Stadtverwaltung, die Führung der Trasse über das Grundstück des Hauptklärwerks hinweg käme nicht -in Frage: Der Kämmerer befürchtet empfindliche Schadensersatzansprüche gegen die Stadt. Das Klärwerk ist nämlich in einem grenzüberschreitenden Leasinggeschäft an US-Investoren übertragen worden jegliche Überbauung würde einen „dauerhaften Eingriff in den Vermögenswert der Gesamtanlage darstellen". Beeinträchtigt werde langfristig, auch deren Funktionsfähigkeit, da künftige Baumaßnahmen eingeschränkt werden könnten.


Grafik: Stuttgarter Nachrichten / Quelle: Regierungspräsidium Stuttgart

Der Verwaltung scheinen auch die Probleme von zusätzlichem Verkehr im Bereich Hofen/Mühlhausen bei der E-Variante weniger ausgeprägt zu sein als bei der Variante C 1. Grundsätzlich befürchtet die Stadt- verwaltung von beiden Varianten zusätzliche Autos auf der Mühlhäuser Straße südlich des Seeblickwegs, bei der C-Variante auch auf der Mönchfeldstraße, bei der E-Variante auf der Schmidener Straße in Cannstatt. Dagegen würden die Aldinger Straße, die Mühlhäuser Straße nördlich des Seeblickwegs und der Seeblickweg entlastet.

Problematisch seien immer die Auswirkungen auf den Ost-West-Korridor zwischen Mühlhausen und Zuffenhausen/Kornwestheim, meint die Stadt. Das laufe den Bestrebungen für ein neues Baugebiet Schafhaus zuwider. Die Heidenburgstraße könne künftig kaum mehr durchgängig befahrbar sein, an der Gemarkungsgrenze Aldingen/Mühlhausen müsse der Verkehr dosiert werden. So mancher Stadtrat hofft, dass diesem Gebiet wenigstens die Nordostring-Trasse erspart bleibt, wenn die neue Brücke von Stuttgarts Gemarkung wegrückt.

In seiner Beschlussvorlage äußert sich das Städtebaureferat nüchtern zum Projekt Nordostring: Er sei langfristig für die Region von Bedeutung und eine ökologische Herausforderung, habe aber für Stuttgart geringen Entlastungswert. Am Pragsattel könne der Verkehr um etwa sieben Prozent reduziert werden, in der Innenstadt seien Folgen "nicht mehr nachweisbar". Dagegen empfiehlt Andriof den Nordostring als Maßnahme gegen Feinstaub in Stuttgart. Die Stadtverwaltung halt einen zweispurigen Ring für sinnvoll, aber nur durch Verknüpfung vorhandener Straßen. Die Gemeinderatsmehrheit favorisiert vier Spuren.


Die Stadt will eine Brücke über das Klärwerk verhindern
VON JOSEF SCHUNDER
Foto: Hörner
Stuttgarter Nachrichten vom 26.01.2006
www.stuttgarter-nachrichten.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]