Ein Gutachten zur Fernwirkung einer neuen Neckarbrücke zwischen Mühlhausen und Aldingen hat offenbart, dass viele Ludwigsburger zu den Leidtragenden gehören werden. Die neue Querung würde ihnen nur mehr Fahrzeuge, mehr Lärm und mehr Schadstoffe präsentieren. Der Bauausschuss im Gemeinderat hat dennoch den Plänen des Regierungspräsidiums (RP) zugestimmt. In der Hoffnung, dass nach erfolgtem Brückenbau auch eine Verbindungsstraße zwischen A 81 und B 29 verwirklicht werde - mit anderen Worten: Die Flussquerung als Teil des so genannten Nordostrings.
Erst wenn es eine Straße gebe, welche die Autobahn mit den Gemeinden jenseits des Neckar verbinde, rücke eine Verkehrsberuhigung in der Barockstadt in den Bereich des Möglichen, sagte Gerhard Ressler vom städtischen Fachbereich Straßenplanung und Vermessung. Er bedauerte aber auch, dass das RP für diesen Fall keine Zahlen vorgelegt hat. Aus den vorliegenden Tabellen und Hochrechnungen zum Projekt ließe sich nur die Verschlechterung ablesen. „Zahlen für eine mögliche Entlastung sind hier nicht aufgenommen worden."
Trotzdem müssten die Ludwigsburger „diese Kröte schlucken", meinte der Freie Wähler Roland Glasbrenner. Vor dem Hintergrund, dass in zehn Jahren Umgehungsstraßen-Debatte nichts passiert sei, sehe er in einem Okay zum Brückenbau die einzige Chance auf eine Veränderung. „Wenn wir nichts beschließen, wird es ja auch immer schlimmer." Dieser Haltung schlossen sich die CDU- und die FDP-Vertreter an.
Hier staut sich der Durchgangsverkehr: Das Nadelöhr Neckarbrücke Remseck soll
entlastet werden
Margit Liepins (SPD) wollte ihr Ja an Bedingungen knüpfen. Ludwigsburg solle der Neckarbrücke nur zustimmen, wenn es Garantien für den Bau des Nordostrings gebe. „Schön wäre alles auf einmal", sagte der Baubürgermeister Hans Schmid. Doch in diesem Fall rücke das gesamte Bauprojekt in noch weitere Ferne. Nur wenn die Stadt eine vorübergehende Zunahme des Verkehrs auf sich nehme, stiegen auch die Chancen für den gewünschten Nordostring. Diese sei auch im Hinblick auf den prognostizierten Anstieg beim Schwerlastverkehr von bis zu 80 Prozent in den nächsten zehn Jahren dringend nötig, meinte Wilhelm Haag von der FDP.
Die Grünen und die Lubu-Linke haben die Vorlage der Verwaltung komplett abgelehnt. Ziel müsse es sein, die lärmgeplagten Menschen und die Landschaft zu schützen, sagte Elga Burkhardt. Mit dem RP-Konzept aber sei beides nicht zu erreichen. „Straßenbau löst die Probleme nicht", betonte Markus Gericke von den Grünen. Aufgrund ihrer Sogwirkung brächten neue Verkehrswege nur weitere Belastungen. Die Schwierigkeiten könnten nur durch einen Ausbau von Stadt- und S-Bahn gelöst werden, sagt Gericke. Eine zusätzliche Lärmbelastung für Ludwigsburger Bürger sei unter keinen Umständen hinzunehmen. Am Ende votierte die Mehrheit der Stadträte für den Brückenbau. Nur die Festschreibung, die B 27 im Bereich Eglosheim durch „eine bahnparallele Trasse" zu entlasten, wurde heftig kritisiert. Darüber sei noch nicht ausreichend diskutiert worden, so die Meinung. Der Gemeinderat würde sich sonst bei diesem Thema selbst einschränken. Schließlich wurde der entsprechende Halbsatz gestrichen.
Von Ludwig Laibacher
Resignation - Mit einer neuen Neckarbrücke kommt noch mehr Verkehr nach Ludwigsburg, trotzdem hat sich der Gemeinderat dafür ausgesprochen.
In allen vom Bau einer zusätzlichen Neckarbrücke betroffenen Kommunen wird seit Jahren - je nach Perspektive - mit allen Mitteln für oder gegen das Projekt gekämpft. Nur in Ludwigsburg vertraut der Gemeinderat auf den guten Willen der Nachbarn und die Weisheit der Planer im Regierungspräsidium: Die Zuständigen werden es schon für uns richten.
Wie anders sollte man sich die jüngste Entscheidung im Bauausschuss erklären? Da sitzen die Räte einer Stadt beisammen, in der schon jetzt in den Quartieren rund um die Aldinger-, Stuttgarter- und Friedrichstraße unerträgliche Zustände herrschen, und sagen ja zu noch mehr Verkehr. Eine Brücke zwischen Mühlhausen und Aldingen wird ihnen noch 25 bis 47 Prozent mehr Fahrzeuge bescheren.
Einzig aus den Reihen der SPD kam der zaghafte Vorschlag, das Ja zur Brücke doch wenigstens mit einer grundlegenden Forderung nach dem Nordostring zu verknüpfen. Aber der Vorstoß fand keine Zustimmung, die Mehrheit nickte die Planung ab. Mit der Begründung, dass sich das RP ohnehin nichts vorschreiben lasse. Man muss kein Gegner der geplanten Neckarbrücke sein, um sich verwundert die Augen zu reiben. Das Signal, das von der Debatte im Ausschuss ausgeht, ist kläglich: Die von enormer Lärm- und Schadstoffemission geplagten Ludwigsburger hätten ein Recht darauf, dass ihre gewählten Vertreter kämpferisch für ihre Sache einstehen. Statt dessen begeben sich ihre Stadträte freiwillig in die Defensive und verkaufen das dann noch als das taktisch kluge Gebot der Stunde.
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