„Vielen ist das Ausmaß noch nicht bewusst"

Ludwigsburg - Die Grünen wollen über die Folgen der geplanten Neckarbrücke für die Stadt aufklären - und für Alternativen werben. Im Gemeinderat sind die Grünen fast die einzigen, die gegen das Vorhaben sind. Ihr Mitglied Markus Gericke glaubt, dass sich das ändern könnte.

Wollen die Grünen den Protest gegen den Nord-Ost-Ring nach Ludwigsburg zerren, Herr Gericke?
Wir wollen in erster Linie darüber informieren, was der Bau der Neckarbrücke in Remseck-Aldingen bedeuten würde. Aus unserer Sicht ist diese Brücke die schlechteste Variante für Ludwigsburg.

Das scheinen fast nur Sie so zu sehen, oder?
Es stimmt, dass die Stadtverwaltung und die Mehrheit der Fraktionen im Gemeinderat eine andere Auffassung zum Nord-Ost-Ring vertreten. Die Auswirkungen eines Brückenbaus wollen sie im Sinne der „Salamitaktik" des Regierungspräsidiums dazu nutzen, den Nord-Ost-Ring ohne grundlegende Abwägung durchzusetzen. Wir glauben, dass vielen Bürgern das Ausmaß der Planung noch gar nicht bewusst ist.

Laut dem Gutachten des Regierungspräsidiums würde sich in Ludwigsburg durch den Bau der Brücke unterm Strich nichts ändern, der Verkehr würde nur verlagert. Warum also die Aufregung?
Schon allein die Grundlage dieses Gutachtens ist fraglich. Zudem wird die Friedrichstraße auch in der vorgelegten Prognose bis 2020 gar nicht entlastet, weil der Verkehr insgesamt weiter zunehmen soll.

Das Regierungspräsidium verspricht den von der Neckarbrücke betroffenen Anwohnern Lärmschutz, obwohl der zusätzliche Verkehr angeblich kaum hörbar wäre. Vielleicht wollen die Anwohner die Brücke?
Wenn dieser Unsinn schon gemacht werden soll, sollen die Bürger auf keinen Fall schlechter gestellt werden. Aber es ist ja sehr zweifelhaft, ob etwa die Aldinger Straße diesen Mehrverkehr überhaupt tragen könnte, es gibt schon heute Überlastungstendenzen. Aus unserer Sicht wird diese Überforderung in Kauf genommen, um den Druck zu erhöhen, um dann sagen zu können: Jetzt müssen wir auch noch den Rest zum kompletten Nord-Ost-Ring bauen, obwohl er als Bundesverkehrsweg zurückgestellt worden ist.

Das fordert ja auch die Stadtverwaltung.
Ja, aber die vermeintlichen Profiteure eines Nord-Ost-Rings schieben das Problem einfach weg: nach Kornwestheim, Fellbach und den Stuttgarter Norden, wo Grünflächen zerstört und mehr Fahrzeuge angezogen würden.

Ihre Lösung?
Ich bin der Meinung, dass sich Ludwigsburg und Remseck zumindest für ihre regionalen Verkehre um Alternativen kümmern müssen. Die Stadtbahn etwa, deren Entwicklung leider immer noch stockt. Es gibt Lenkungsmaßnahmen, die den Verkehr entschleunigen. Und speziell für Remseck würde die so genannte Billingerbrücke eine große Erleichterung bringen.

Keine dieser Maßnahmen würde den Zweck des Nord-Ost-Rings um Stuttgart herum tatsächlich erfüllen, nämlich den Fernverkehr umleiten.
Aber der regionale Verkehr könnte minimiert werden. Rund 70 Prozent aller Fahrten sind selbst verursachte Quell-Ziel-Verkehre, nur 30 Prozent macht der Fernverkehr aus. Der soll die Autobahn nutzen, die im übrigen noch immer die wahre Umfahrung Stuttgarts ist. Der Verkehr aus dem Remstal nach Norden kann den Bogen über die B 14 machen, die schon ausgebaut wird. Und die Stadt Stuttgart hat die B 10 durch ihr Stadtgebiet ohnehin fast zu einem „kleinen Nord-Ost-Ring" ausgebaut.

Da freut sich der Maut sparende Ausweichfahrer aber!
Die autobahnähnlichen Abschnitte der Bundesstraßen könnten relativ einfach mit einer Mautpflicht versehen werden.

Planen die Grünen in Ludwigsburg weitere Aktionen gegen die Brücke?
Das kann ich noch nicht sagen. Wir sind jetzt erst einmal gespannt, wie sich die Bürger dafür interessieren. Aber das Thema ist wichtig. Die Zeit der großen Straßenneubauten ist vorbei. Es gibt zu wenig Restflächen. Und in Zeiten wie diesen, für ein solch unsinniges Projekt so viel Geld auszugeben, kann nicht sinnvoll sein.

Die Fragen stellte Verena Mayer, Kornwestheimer Zeitung vom 15.03.2010
www.kwz.de

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