Aufreger Nummer 1 ist die Lärmbelastung

OB Palm glaubt, dass das Regierungspräsidium die Planfeststellung für die neue Neckarquerung noch im Februar durchpeitscht.

Warum es das Regierungspräsidium jetzt nach Palms Vermutung eilig hat mit der Baugenehmigung für die Neckarquerung, liegt an zwei gravierenden Änderungen zum 1. März. Das Stuttgarter Durchfahrtsverbot für Lastwagen wird zusätzliche, noch nicht bezifferbare Belastungen auf die bestehende Neckarbrücke bringen, und ein neues Naturschutzrecht würde ebenfalls eine komplette Überarbeitung der Gutachten erfordern, sofern der Planfeststellungsbeschluss nicht bis Ende Februar gefasst ist. Die weitere Zählung des Verkehrs auf der Neckarbrücke in Remseck durch die Städte Fellbach und Kornwestheim wird das Regierungspräsidium nun vermutlich genau wie ihre Vorgänger ignorieren. Denn das Ergebnis lautet: Die Neckarquerung zwischen Aldingen und Mühlhausen wird gar nicht gebraucht.

Derzeit fahren in 24 Stunden etwa 30.000 Autos und 3300 Lastwagen über die bestehende Brücke und damit um 1000 Lastwagen und 5000 Autos weniger, als das Regierungspräsidium zur Begründung seiner Pläne annimmt. „Die rein auf Berechnungen beruhenden Verkehrszahlen des Regierungspräsidiums sind erneut nicht bestätigt worden", sagt Palm.

"Aus Angst vor dem Tod auf dem Schlachtfeld zieht man den Selbstmord vor."
OB Christoph Palm über das Regierungspräsidium

Gezählt haben die Abgesandten der Fellbacher und Kornwestheimer Stadtväter nochmal im November, nachdem die Konjunkturerholung eingesetzt hatte und statistisch gesehen im verkehrsreichsten Monat eines Jahres. „Das Ergebnis liegt sogar jetzt schon unter dem Wert, der erreicht werden soll, wenn erst die zusätzliche Neckarquerung gebaut ist", sagt Palm. Für das Regierungspräsidium, das heute um 14 Uhr im eigenen Haus in Stuttgart-Vaihingen die dritte und vermutlich letzte Anhörung veranstaltet, ohne die Gutachten aufgrund der Fellbacher Zahlen zu überarbeiten, hat Palm deftige Worte: „Das Präsidium zieht die Exekution vor Gericht einer Verwundung im Feld der kommunalen Politik vor." Soll heißen: Die Beamten in Vaihingen haben, so vermutet der OB, erkannt, dass sie sich auf dünnem Eis befinden. Sie glauben, bei einer für Palm inzwischen wahrscheinlichen Niederlage vor Gericht eher das Gesicht wahren zu können, als wenn sie sich „erneut von uns zerlegen lassen müssen". Das Stadtoberhaupt sagt über die Präsidiumsbeamten: „Aus Angst vor dem Tod auf dem Schlachtfeld zieht man den Selbstmord vor."

Mit der jüngsten Steilvorlage des Regierungspräsidiums an die Brückengegner, dem höchst kurzfristig vorgelegten, aber schon seit 2006 geforderten so genannten Fernwirkungsgutachten, sind es schon wieder einige mögliche Kläger mehr geworden. Für Palm ist das Gutachten der „Aufreger Nummer 1". Das fast 2000 Seiten lange Werk bescheinigt den Bewohnern von 272 Gebäuden in Fellbach, Waiblingen, Kornwestheim und Ludwigsburg, die weitab von der neuen Neckarquerung wohnen, von den Lärmauswirkungen des Vorhabens direkt betroffen zu sein, „ohne dass sie bisher davon etwas gewusst haben. Und in der Kürze der Zeit bis zur heutigen Anhörung können sie sich auch nicht mehr ausreichend informieren", kritisiert Palm. „Das geht schon an die Grundfesten des Umgangs des Staats mit den Bürgern." Die 90 Fellbacher in 27 Gebäuden zumeist in der Oeffinger Straße, der Gotthilf-Bayh-Straße und der Fellbacher Straße in Schmiden werden ein Anrecht auf passiven Lärmschutz, also Schallschutzfenster, haben, weil durch den neuen Brückenschlag täglich um 300 Autos mehr durch ihre Straßen rollen werden. Seit dem 1. Februar erst liegt der Stadtverwaltung die CD mit dem Gutachten vor. Nicht einmal ihre Fachleute können sich aber bis jetzt erklären, wie sich die Gutachter die von übermäßigem Lärm betroffenen Häuser-Fassaden herausgepickt haben: Zum Beispiel erhalten laut einer Planskizze die Hausnummern 16 und 14 in der Oeffinger Straße Lärmschutz, die Nachbarn in 12 und 10 jedoch nicht. Ebenso auf der Seite gegenüber: Bei Nummer 11 wird"s zu laut, in Nummer 9 aber nicht.

Von Hans-Dieter Wolz, Fellbacher Zeitung vom 10.02.2010
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