Sag mir, wo die Laster sind

Waiblingen. Sag mir, wo die Laster sind, wo sind sie geblieben? Das Regierungspräsidium stütze seine Planung der Andriofbrücke auf falsche Verkehrszahlen – diesen Vorwurfh alten die brückenkritische Initiative Arge Nord-Ost und die Waiblinger SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Altpeter nach den jüngsten Verkehrszählungen für bewiesen.

„Sag mir, wo die Blumen sind . . .“: Man ersetze in dem alten Marlene-Dietrich-Gassenhauer das Wort „Blumen“ durch „Lastwagen“ – und schon hat man eine hübsche Zusammenfassung, worum es im aktuellen Streit um die geplante Andriofbrücke geht.

Eines steht mittlerweile fest: Die hohen Verkehrszahlen, die das Regierungspräsidium im Jahr 2005 seiner Planung zugrunde legte (per Schätzung, ohne zur Erhärtung eine aktuelle Verkehrszählung veranlasst zu haben), sind im Jahr 2009 nicht nachweisbar. Zwei Zählungen gab es heuer – eine im Mai, in Auftrag gegeben von den andriofbrückenkritischen Städten Kornwestheim und Fellbach, eine im Juli, in Auftrag gegeben vom andriofbrückenfreundlichen Regierungspräsidium. Die Ergebnisse unterscheiden sich nur in Details, nicht aber in der klaren Tendenz: Über die Neckarbrücke bei Remseck fließt aktuell deutlich weniger Verkehr als 2005 unterstellt.

Im Jahr 2005 ging das RP davon aus, dass pro Tag etwa 4200 Lkw die Brücke passieren, und folgerte: Gegen derart massive Lkw-Ströme helfe nur der Bau einer groß angelegten zweiten Neckarbrücke bei Aldingen („Andriofbrücke“). Im Jahr 2009 sind es aber keine 4200, sondern nur rund 2900 – eine Differenz von 1300 oder, Pi mal Daumen, 30 Prozent. Um die Deutung des Phänomens tobt nun der Streit.

Sag mir, wo die 1300 Lastwagen sind, wo sind sie geblieben? Sie müssten eigentlich da sein und kommen bestimmt auch bald wieder, sind derzeit aber ausnahmsweise mal kurz weg – so lautet die Antwort des Regierungspräsidiums. Die 2009er-Zahlen seien verzerrt, das Verkehrsaufkommen sei außerplanmäßig eingebrochen wegen der Wirtschaftskrise – aber im Prinzip spiegle die 2005er-Schätzung die übliche Situation durchaus stimmig wider; die Planung für die Andriofbrücke müsse also weiterlaufen.

Sag mir, wo die 1300 Lastwagen sind, wo sind sie geblieben? Sie waren schon 2005 gar nicht da (auch wenn haltlose Schätzungen das behaupteten), und deshalb ließen sie sich logischerweise 2009 auch nicht zählen – so lautet die Antwort der Arge Nord-Ost. Dank der Zählungen sei bewiesen, was die Arge schon immer mutmaßte: Die angeblichen Verkehrsmengen, „mit denen das RP die geplante neue Neckarbrücke bisher begründet hat, waren zu hoch“. Den Versuch, so einen Laster-Schwund pauschal mit der Krise zu erklären, lässt die Arge nicht gelten: Ebenfalls im Mai 2009 wurde nämlich zum Beispiel auch „am Stuttgarter Kesselrand“ gezählt – und gegenüber 2007 eine „Verkehrszunahme um 4,9 Prozent ermittelt“. Aus Sicht der Arge wird es deshalb höchste Zeit, sich von der großen Andriofbrücke zu verabschieden und eine bescheidenere Variante, die „Billinger-Brücke“, anzugehen. „Das RP ist gut beraten, die neue Neckarbrücke nicht auf das wacklige Fundament falscher Zahlen zu bauen.“

Noch deutlicher wird die Waiblinger SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Altpeter: „Das Regierungspräsidium kann nicht die Zahlen der diversen Verkehrszählungen vor Ort bestätigen und gleichzeitig die Planfeststellung fortsetzen.“ Die anfangs angezweifelte Seriosität der Fellbach - Kornwestheimer Mai-Zählung sei durch die Juli-Kontrollzählung desRegierungspräsidiums ja bestätigt worden – „umso unverständlicher“ sei, dass das RP an seinem Weg festhält. Altpeter und die SPD-Landtagsfraktion haben deshalb „einen Antrag an die Landesregierung“ gestellt. Die Forderungen: Das Planfeststellungsverfahren zur Andriof-Brücke solle „schnellstmöglich gestoppt“ und dafür die Billinger-Variante „zeitnah auf den Weg
gebracht“ werden. Nur umdenken hilft, findet Altpeter – die Landesregierung möge das „endlich einsehen“. Die Dietrich hätte das wohl so ausgedrückt: „Wann wird man je versteh’n, wann wird man je versteh’n?“

Aus Waiblinger Kreiszeitung vom 27.11.2009
www.waiblinger-kreiszeitung.de

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