„Beim Thema Neckarquerung sind wir belogen worden"

Wer am Donnerstagabend die wirtschaftspolitische Diskussionsveranstaltung der FDP in der Kelter der Fellbacher Weingärtner besucht hat, dürfte im Anschluss daran eine ruhige Nacht gehabt haben. Und das nicht nur, weil er sich vielleicht - passend zur Räumlichkeit - das eine oder andere Gläschen Wein schmecken ließ.

Es waren vor allem die positiven Einschätzungen, die Hartfrid Wolff, Mitglied des Deutschen Bundestags, Günther Leßnerkraus, stellvertretender Vorsitzender des FDP-Stadtverbands und Ulrich Lenk, Vorsitzender der FW/FD-Gemeinderatsfraktion sowie der FDP/FW-Kreistagsfraktion, unter der Leitung von Wilfried Stirm, Vorsitzender im FDPStadtverband, über die momentane Krise abgaben. Sie klangen aufmunternd und zuversichtlich in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage: „So schlecht stehen unsere Unternehmen gar nicht da", sagte Günther Leßnerkraus und verwies darauf, dass Baden-Württemberg die innovativste Region Europas sei. „Natürlich gab es einen Einbruch, aber unsere Betriebe haben sich eigentlich ganz gut über Wasser halten können."

Aber damit nicht genug. Der Politiker stellte den landesweiten Forschungsschwerpunkt dar und betonte die zentrale Rolle des Exports in Baden-Württemberg. „Damit haben wir wahnsinnig viel Geld verdient, deshalb hat es uns in der Krise auch doppelt reingehauen." Sobald es aber wieder aufwärts gehe, wofür es erste „hauchdünne kleine Anzeichen" gebe, helfe die Exportstärke, dass sich Baden-Württemberg schneller erhole, sagte Günther Leßnerkraus. „Ich will Mut machen, schließlich spielt auch die Psychologie eine Rolle." Neben diesen Beurteilungen hatte der Ministerialdirigent im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg auch konkrete Ratschläge für sein Publikum parat: „Wir dürfen nicht mit kurzfristigen Sonderprogrammen arbeiten, sondern müssen in langfristige Zukunftsprojekte investieren", sagte Leßnerkraus. Diese Ausführungen konnte Parteifreund Hartfrid Wolff nur bestätigen und brachte seinerseits einige Vorschläge auf den Tisch. „Aus meiner Sicht bietet ausschließlich die soziale Marktwirtschaft die Chance, aus der Krise herauszukommen", sagte der Waiblinger Abgeordnete. Deshalb werde es mit der FDP auch keinen Systemwechsel geben. Vielmehr werde an einer Steuerreform festgehalten. Als Auslöser für die Krise bezeichnete der Jurist eine falsche Geldpolitik. „Anstatt einen Sparkurs zu verfolgen, wurde das Geld zum Fenster rausgeworfen", sagte Hartfrid Wolff. Er führte die momentane Wirtschaftslage auf ein Staatsversagen zurück und fragte sich „ ob man vielleicht hätte wissen können, was passieren wird".
Als sicher stellte Wolff dagegen gleich zwei Dinge dar. Zum einen sei der Staat nicht der bessere Banker. Zum anderen sei der geplante Nord-Ost-Ring so nicht tragbar. „Das Monstrum vierspurige Autobahn muss gestrichen werden. Nötig ist eine ökologisch sinnvolle Entlastung."
Damit sprach er seinem FDP-Kollegen Ulrich Lenk, der sowohl die gute Lage Fellbachs, als auch die stabile finanzielle Situation der Stadt in den Vordergrund stellte, aus der Seele. „Ich bleibe dabei: Beim Thema Neckarquerung sind wir belogen worden." Damit sei eine Unmenge an Vertrauen verspielt worden, so dass Lippenbekenntnisse allein nicht mehr ausreichen würden.

Bevor der Abend mit einer lebhaften Diskussion ausklang, lag den Herren noch ein letztes Thema, nämlich der Fachkräftemangel, am Herzen: „Die Wirtschaft wird es packen. Viel mehr Sorgen bereitet uns das Thema Fachkräfte, denn im Jahr 2020 werden uns 500.000 Erwerbstätige fehlen", sagte Günther Leßnerkraus.

Von Simone Käser, Fellbacher Zeitung vom 11.07.2009
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