Nordostring
"Unausgewogen und manipulativ"

Remseck/Fellbach - Gegner der Neckarbrücke und des Nordostrings werfen dem Stuttgarter Regierungspräsidium schlampige Arbeit bei einem neuen Gutachten vor. Die Arbeitsgemeinschaft gegen den Nordostring überreichte kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist 1000 Einwendungen gegen den geplanten Brückenbau.

Joseph Michl, Vorsitzender der Arge Nordost, wie sie sich abkürzt, nimmt beim Gespräch in einem Stallbesen in Stuttgart-Mühlhausen kein Blatt vor den Mund. "An den unausgewogenen und manipulativen Aussagen der Planunterlagen hat das Regierungspräsidium nichts geändert." Zweimal schon musste die Behörde ihre Papiere für die Neckarbrücke nachbessern, weil in den dazugehörigen Gutachten Fehler aufgetaucht waren. Und auch jetzt, in der dritten Auslegungsrunde seit dem Jahr 2006, wurde nach Michls Einschätzung schlampig gearbeitet. "Die vorgelegten Zahlen sind nicht zu gebrauchen." Aufgedeckt wurde dies durch eine aktuelle Zählung der Städte Fellbach und Kornwestheim - beide Kommunen sind ebenfalls vehemente Gegner der neuen Brücke.

So zählten die von den Kommunen beauftragten Beobachter auf der bestehenden Neckarbrücke bei Neckarrems 28900 Fahrzeuge in 24 Stunden. Das sind 16 Prozent weniger als jene im RP-Gutachten von 2005 prognostizierten 34450 Fahrzeuge. "Tatsächlich hat das Regierungspräsidium den Verkehr auf dieser Brücke nie gezählt", schimpft Michl. "Da wurde in alten Gutachten nachgekramt, man hat sich dieser Zahlen bedient und aufs Jahr 2020 hochgerechnet." Die Belastung auf der bestehenden Brücke werde viel zu hoch angesetzt, um Argumente für eine neue Brücke zu haben.

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen etwa von Regierungspräsident Johannes Schmalzl steht für die Arge fest: "Ziel der Straßenplaner ist immer noch allein der vierspurige Nordostring." Die neue Neckarbrücke sei nur der Einstieg für eine Autobahn übers Schmidener Feld. Den Beweis hierfür glaubt der ehemalige Fellbacher OB Friedrich-Wilhelm Kiel in den Händen zu halten. Er ist selbst Arge-Mitglied und kämpft im Ruhestand gegen die Straßenpläne. Kiel zitiert aus einem Schreiben, das er kürzlich nach halbjähriger Wartezeit aus dem Stuttgarter Innenministerium erhalten hat. Darin heißt es, die zusätzliche Neckarquerung könne "nur der erste Schritt zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im gesamten Raum nordöstlich von Stuttgart sein". Erforderlich sei deshalb "nach wie vor eine durchgängige Bundesstraßenverbindung zwischen der B 14/B29 im Osten und der A81/B27 im Westen". Denkbar sei aber durchaus, "in einem ersten Schritt nur einen einbahnigen Nordostring als Bundesaufgabe weiter zu verfolgen", da auch dieser bereits Entlastungen bewirken könne.

Doch wenn diese Straße mit ihren täglich 35000 Autos oder Lastwagen erst mal da sei, "wird sicher auch schnell der vierspurige Nordostring gefordert", sagt Michl. Für ihn steht fest: "Diese unsinnige Brückenplanung muss gestoppt werden. Denn ist die Nordostring-Brücke erst einmal gebaut, dann haben die Menschen hier wirklich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera."

Ins Visier nehmen die Arge und die Stadt Fellbach zudem auch detaillierte Varianten der Planung. So hat das Regierungspräsidium auf der Straße nahe der Oeffinger Sportplätze eine 560 Meter lange, zwei Meter hohe Steinmauer, eine sogenannte Gabionenwand, vorgesehen. Dadurch soll die benachbarte Vogelwelt vor dem Lastwagenlärm geschützt werden. Auf der anderen Straßenseite hin zum TV Oeffingen gibt es keinen Schutz, trotz einer Verkehrszunahme von 9300 auf 22900 Fahrzeuge täglich inklusive 1970 Lastwagen. Ulrich Lenk, Vorsitzender der Freien Wähler im Fellbacher Gemeinderat, wettert über diese "Oeffinger Mauer", die den Schall erst recht in Richtung Sportler reflektiere.

Für Michl und Kiel, aber auch für den amtierenden Fellbacher OB Christoph Palm steht fest: Auch diesmal muss eine öffentliche Erörterung zur Neckarbrücke folgen. Sollte das Regierungspräsidium sich dieser Diskussion verweigern und die Planung noch vor der Sommerpause beschließen, "haben wir vier Wochen Zeit für eine Klage, und das werden wir machen", kündigt Michl an. "Wir sind klageberechtigt, wir haben dort Grundstücke, ebenso wie 18 Landwirte aus Fellbach, und wir haben dank unserer Unterstützer auch das Geld dazu." Eigentlich sei man auf Konsens aus, "wir wollen den Prozess nicht", ergänzt Kiel, "aber wir scheuen uns auch nicht davor". Michl jedenfalls ist optimistisch: "An unserem hervorragenden Anwalt wird sich das Regierungspräsidium die Zähne ausbeißen."

Von Dirk Herrmann, Stuttgarter Nachrichten vom 29.05.2009
www.stuttgarter-nachrichten.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]