Prügel fürs Regierungspräsidium

Stadträte glauben nach Rechenfehler und Spendenskandal
nicht mehr an die Objektivität der Planungsbehörde

Fellbach. Wenn das Sprichwort stimmt, dass jemandem die Ohren klingeln, wenn man über ihn spricht, dann müsste Regierungspräsident Johannes Schmalzl immer noch Ohrensausen haben. Am Dienstagabend gab es heftige Schelte gegen die Behörde im Gemeinderat.

Alle vier Fraktionen im Stadtparlament haben am Dienstagabend ausführlich zum neuesten Stand in Sachen Neckarbrücke und Nord-Ost-Ring Stellung genommen. Wie wir berichtet haben, ist den Verkehrsplanern des Regierungspräsidiums (RP) ein folgenschwerer Rechenfehler unterlaufen, außerdem hat die Arge Nord-Ost aufgedeckt, dass eine Spende der Industrie- und Handelskammer für die Planung einer neuen Neckarbrücke vom Regierungspräsidenten selbst angefordert worden ist - ausdrücklich mit Verweis auf die spätere Realisierung eines Nord-Ost-Rings.

„Wer sich so vom Geld der Interessenvertreter abhängig macht", schimpfte der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Spieth, „kann unmöglich mit der gebotenen Sachlichkeit und Unabhängigkeit das Planfeststellungsverfahren zu Ende führen." Spieth forderte, dass die Alternativen in Form der Billinger-Varianten gleichrangig untersucht werden. „Im Erfolgsfalle könnte so eine flächenschonende und kostengünstige Lösung verwirklicht werden." Die Forderung des Waiblinger Oberbürgermeisters, den Schwerverkehr aus Hegnach herauszunehmen und auf die Höhenstraße in Fellbach zu verlagern, zeigt nach Ansicht von Spieth, „wie wenig Kirchturmpolitik zu guten Lösungen beiträgt, das nachbarschaftliche Klima aber sattsam belasten kann".

Auch von der SPD gab es Prügel fürs RP. „Kein Mensch nimmt dem Regierungspräsidium noch ab, dass das sogenannte Neckar-Brückle nichts mit dem Nord-Ost-Ring zu tun hat", sagte der Fraktionsvorsitzende Andreas Möhlmann: „Kein Mensch glaubt mehr, dass es nicht auf vier Spuren ausgebaut werden kann." Und im Zusammenhang mit der „in höchst fragwürdiger Art und Weise bei der IHK bestellten Nord-Ost-Ring-Spende" und dem Rechenfehler „glaubt auch niemand mehr an die Objektivität des Regierungspräsidiums". FDP und CDU müssten das „absurde Verfahren" beenden. Möhlmann sieht insbesondere den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Waiblinger Wahlkreisabgeordneten Ulrich Goll in der Pflicht.

Geradezu erfreut zeigte sich der FW/FD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Lenk, dass die Pläne für eine autobahntaugliche Neckarbrücke „durch schwere, die Glaubwürdigkeit der RP-Planer erschütternde Rechenfehler vorerst gestoppt wurden". Die Verkehrsprognosen für Remseck hätten sich insbesondere beim Lkw-Verkehr so gravierend verschlechtert, „dass ich neue Ansätze für ein Umdenken sehe", sagte Lenk. Deshalb sollte erneut das Gespräch mit den Nachbarkommunen auch auf der Ebene der Fraktionen und Parteien gesucht werden. Auch die Grünen-Stadträtin Stefanie Sawall appellierte an die Städte Remseck und Waiblingen, ihre Einstellung zur geplanten Neckarbrücke zu überdenken, „die vom Regierungspräsidium versprochene Entlastung wird sich mit dieser Planung nicht realisieren lassen". Alle Fraktionen unterstützten auch die Pläne für den Bau einer Stadtbahnlinie von Markgröningen nach Waiblingen sowie Untersuchungen, diese Strecke bis Fellbach zu verlängern.

Von Gerhard Brien, Fellbacher Zeitung vom 27.11.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]