„Das würde man aus der Erfahrung heraus heute sicher nicht mehr machen.“ IHK-Geschäftsführer Andreas Richter über die IHK-Spende.

Dass der Regierungspräsident die IHK um Geld bat, ist juristisch nicht zu beanstanden, aber „sittlich und moralisch“ fragwürdig, findet die SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Altpeter.

Falls Andriof tatsächlich auf die IHK mit der Bitte um Geld zuging, „hielte ich das für hochbrisant“, sagte Fellbacher OB und CDU-Landtagsabgeordnete Christoph Palm.

„Angesichts der knappen Haushaltsmittel“ bitte er die IHK um eine „Beteiligung an der Finanzierung der Planungskosten“, schrieb Regierungspräsident Udo Andriof 2005.

Andriof schrieb Bettelbrief an IHK

Wie der Regierungspräsident seiner Behörde 25000 Euro für die Planung der Andriof-Brücke beschaffte

Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schwarz

Waiblingen.
Vor etwa drei Jahren hat die IHK Region Stuttgart dem Regierungspräsidium Stuttgart 25000 Euro gegeben - das Geld sollte dazu dienen, die Planung der so genannten Andriof-Brücke voranzubringen. Manche fanden das damals anrüchig, dass der Regierungspräsident die Summe nicht ablehnte. Nun zeigt sich aber: Er hat sie nicht nur genommen, sondern in einem Bettelbrief regelrecht eingeworben.

Folgendes geschah im Jahr 2005, wie sich aus Unterlagen ergibt, die unserer Zeitung vorliegen: „Sehr geehrter Herr Baumann“, schrieb Regierungspräsident Udo Andriof im Frühsommer 2005 an den IHK-Präsidenten, „wie Ihnen bekannt ist, wurde der verkehrlich hochwirksame Nord-Ost-Ring Stuttgart im aktuellen Bundesverkehrswegeplan nicht als vordringliche Maßnahme eingestuft, sondern rangiert im weiteren Bedarf ohne Planungsrecht. Seitens des Landes haben wir nun Überlegungen angestellt, wie außerhalb des Bundesverkehrswegeplans die Verkehrsverhältnisse in Nordosten der Landeshauptstadt verbessert werden könnten.“ Andriof erklärte, wie er sich das vorstelle: Man könnte zunächst eine „einbahnige“ (Verwaltungsdeutschen für zweispurige) Neckarbrücke auf der Trasse des Nord-Ost-Ring bauen - und diese Flussquerung „würde später Bestandteil des zweibahnigen“ (also vierspurigen) „Nord-Ost-Rings werden“.
„ Angesichts der knappen Haushaltsmittel des Landes möchte ich Sie nun auf diesem Wege bitten, seitens der IHK zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Beteiligung an der Finanzierung der Planungskosten besteht.“
Ein paar Wochen später kam die Antwort der IHK, unterzeichnet von Präsident Dr. Günter Baumann und Hauptgeschäftsführer Andreas Richter: „Die IHK ist bereit, sich mit 25000 Euro an den Planungskosten zu beteiligen.“ Der Vorstoß von Andriof beweise, dass das Regierungspräsidium seine Spielräume nutzt und für unsere Infrastruktur wichtige Initiativen starten kann. Eine entsprechendes Selbstverständnis und Selbstbewusstsein an der Spitze des Hauses wird hier wohltuend deutlich.“
Ganz alltäglich ist Andriofs Bettelbrief den beiden dann aber wohl doch nicht vorgekommen. Denn sie schrieben: „Unser Hinweis, dass dieses Engagement für die Kammer ein Ausnahmefall bleibt und wir nicht beabsichtigen, bei Planungen anderer Vorhaben im gesamten IHK-Bezirk uns finanziell zu engagieren, dürfte sie nicht überraschen.“
Was die IHK sich damals von ihrem Engagement versprach, wird in einem weiteren Schreiben an das Regierungspräsidium vom Dezember 2005 deutlich: „Die Kernforderung der IHK lautet, dass Trassenwahl und Ausführung des Bauwerks so zu erfolgen haben, dass die Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit mit verhältnismäßig geringem Aufwand Teil einer leistungsfähigen Nordostumfahrung werden kann.“ Die IHK begrüße es deshalb, dass die Brücke „so dimensioniert werden soll, dass der zunächst dreistreifige Querschnitt zukünftig als eine Richtungsfahrbahn eines zweibahnigen (sprich: vierspurigen) „Nordostrings fungieren kann.“
Nachfrage bei Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart: Ob Andriof um das Geld bat oder die IHK von sich aus vorpreschte, „kann ich nicht beantworten, weil ich’s nicht mehr weiß“. Aber wer hier die Henne war und wer das Ei – „ich würde da gar nicht so einen großen Unterschied macht vom Effekt her“. Prinzipiell sei es „nichts außergewöhnliches, dass für öffentliche Projekte Gelder gesammelt werden unter Beteiligung der Wirtschaft“. Das sei „eine Konsequenz der Situation in den öffentlichen Kassen“. In anderen Bundesländern gebe es das „häufiger“. Es sei „immer nur die Frage: gibt es da eine Transparenz und wird das ausgewiesen? Und wir haben da nie ein Hehl draus gemacht“.
Die SPD-Abgeordneten Katrin Altpeter (Landtag) und Hermann Scheer (Bundestag) sahen das bereits im Oktober 2006 anderes: Indem er das Geld annahm, habe Andriof auf seine „Neutralitätspflicht verletzt“, schrieben sie in einer Fachaufsichtsbeschwerde, die vom Innenministerium abgeschmettert wurde. Das Andriof das Geld erbeten hatte, wussten die Genossen nicht.

Christoph Palm: „So was habe ich noch nicht gehört“

Der CDU-Landtagsabgeordnete und Fellbacher OB Christoph Palm erklärte gestern auf Nachfrage: Wenn sich der Vorgang tatsächlich so abgespielt haben sollte, „hielte ich das für hochbrisant“. Es sei ja „schon schwierig, wenn man als öffentlich Bestallter versucht, für karitative Zwecke Gelder einzutreiben. Und das dann für eine ganz klar hoheitliche Aufgabe zu tun - vielleicht fehlt mir da die Erfahrung, aber so was habe ich noch nicht gehört“.
„ Wenn das so zutrifft“, sagte Katrin Altpeter gestern, „dann ist das ein unmögliches Ding.“ Rein juristisch könne man dagegen nichts machen - aber es sei „eine sittliche Frage und eine moralische Frage. Und irgendwo hört’s auf“.
Wie auch immer man den Vorgang einschätzen mag - eines räumt IHK-Hauptgeschäftsführer Richter ein: „dem Projekt ist es nicht gut bekommen“, dass die IHK Geld ab. Man habe damit „der Sache nicht unbedingt einen Gefallen getan“. Der werde dann nämlich schnell „unterstellt, dass böse Mächte am Werk sind“, und so etwas wirke sich „kontraproduktiv“ aus. „Das würde man aus der Erfahrung heraus heute sicher nicht mehr machen. Das war vielleicht einfach naiv.“

Die Sicht des Regierungspräsidiums

 Rundschlag

Die Brücke, das Geld und die Moral

Von Peter Schwarz

Wir haben: Streit um den Bau einer Straße; die Interessenvertreter der Wirtschaft halten diese Straße für dringend nötig, Umweltschützer und Bürgerinitiativen halten sie für fatal.
Wir haben: eine Planungsbehörde, die dem Wohl des ganzen Volkes zu dienen, Pro und Contra des Straßenbauvorhabens gewissenhaft auszuleuchten und denkbare Alternativen sorgfältig zu prüfen hat.
Und wir haben: den Leiter dieser Planungsbehörde, der einer der beiden Parteien einen Brief schreibt – er hat einen Weg gefunden, der ganz in Ihrem Sinne ist, und nun will er Geld, um diesen Weg weiter gehen zu können.
Genauso ist es geschehen im Falle der Andriof-Brücke: der Regierungspräsident heckte eine Idee aus, wie man durch die Hintertür den alten Traum vom vierspurigen Nordostring wiederbeleben könnte. Und noch bevor er mit diesem Plan an die Öffentlichkeit ging, unterbreitete er ihn erstmal der IHK und bat dafür um Geld; Geld, das er umgehend bekam.
Wie soll man das nun finden? Zunächst: Nein, rein rechtlich war das nicht verboten. Aber eine formaljuristische Betrachtungsweise greift in diesem Falle viel zu kurz.
Denn wie soll man einer Behörde, die von Anfang an so vorgeht, eigentlich noch glauben, dass sie Vorbehalte gegen das Projekt ehrlich ernst nimmt? Wie soll man einer Behörde, die von Anfang an so vorgeht, eigentlich noch glauben, dass sie denkbare Alternativen fair und ohne Scheuklappen prüft?
Mit seinem Bettelbrief hat sich Andriof seinerzeit der IHK regelrecht an den Hals geschmissen. Wer sich derart offensiv an eine Interessengruppe ransägt, darf sich nicht wundern, wenn er damit bei den Vertretern anderer Interessen tiefstes Misstrauen sät.
Dieser Vorgang vermittlet einem einen Schlüssellochblick auf die Art, wie der Hase läuft: Wenn wir Mächtigen zusammenhalten, kriegen wir das schon hin. Lasst die Bedenkenträger nur nörgeln - wir karteln das miteinander aus. Lasst die Bürgerinitiative nur krähen - wir haben die Macht, und wir haben das Geld.

Von Peter Schwarz, Waiblinger Kreiszeitung vom 13.11.2008
www.waiblinger-kreiszeitung.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]