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Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schwarz
Folgendes geschah im Jahr 2005, wie sich aus Unterlagen ergibt, die unserer
Zeitung vorliegen: „Sehr geehrter Herr Baumann“, schrieb Regierungspräsident
Udo Andriof im Frühsommer 2005 an den IHK-Präsidenten, „wie
Ihnen bekannt ist, wurde der verkehrlich hochwirksame Nord-Ost-Ring Stuttgart
im aktuellen Bundesverkehrswegeplan nicht als vordringliche Maßnahme
eingestuft, sondern rangiert im weiteren Bedarf ohne Planungsrecht. Seitens
des Landes haben wir nun Überlegungen angestellt, wie außerhalb
des Bundesverkehrswegeplans die Verkehrsverhältnisse in Nordosten der
Landeshauptstadt verbessert werden könnten.“ Andriof erklärte,
wie er sich das vorstelle: Man könnte zunächst eine „einbahnige“ (Verwaltungsdeutschen
für zweispurige) Neckarbrücke auf der Trasse des Nord-Ost-Ring bauen
- und diese Flussquerung „würde später Bestandteil des zweibahnigen“ (also
vierspurigen) „Nord-Ost-Rings werden“.
„
Angesichts der knappen Haushaltsmittel des Landes möchte ich Sie nun auf
diesem Wege bitten, seitens der IHK zu prüfen, ob die Möglichkeit
einer Beteiligung an der Finanzierung der Planungskosten besteht.“
Ein paar Wochen später kam die Antwort der IHK, unterzeichnet von Präsident
Dr. Günter Baumann und Hauptgeschäftsführer Andreas Richter: „Die
IHK ist bereit, sich mit 25000 Euro an den Planungskosten zu beteiligen.“ Der
Vorstoß von Andriof beweise, dass das Regierungspräsidium seine
Spielräume nutzt und für unsere Infrastruktur wichtige Initiativen
starten kann. Eine entsprechendes Selbstverständnis und Selbstbewusstsein
an der Spitze des Hauses wird hier wohltuend deutlich.“
Ganz alltäglich ist Andriofs Bettelbrief den beiden dann aber wohl doch
nicht vorgekommen. Denn sie schrieben: „Unser Hinweis, dass dieses Engagement
für die Kammer ein Ausnahmefall bleibt und wir nicht beabsichtigen, bei
Planungen anderer Vorhaben im gesamten IHK-Bezirk uns finanziell zu engagieren,
dürfte sie nicht überraschen.“
Was die IHK sich damals von ihrem Engagement versprach, wird in einem weiteren
Schreiben an das Regierungspräsidium vom Dezember 2005 deutlich: „Die
Kernforderung der IHK lautet, dass Trassenwahl und Ausführung des Bauwerks
so zu erfolgen haben, dass die Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt
jederzeit mit verhältnismäßig geringem Aufwand Teil einer leistungsfähigen
Nordostumfahrung werden kann.“ Die IHK begrüße es deshalb,
dass die Brücke „so dimensioniert werden soll, dass der zunächst
dreistreifige Querschnitt zukünftig als eine Richtungsfahrbahn eines zweibahnigen
(sprich: vierspurigen) „Nordostrings fungieren kann.“
Nachfrage bei Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der IHK Region
Stuttgart: Ob Andriof um das Geld bat oder die IHK von sich aus vorpreschte, „kann
ich nicht beantworten, weil ich’s nicht mehr weiß“. Aber
wer hier die Henne war und wer das Ei – „ich würde da gar
nicht so einen großen Unterschied macht vom Effekt her“. Prinzipiell
sei es „nichts außergewöhnliches, dass für öffentliche
Projekte Gelder gesammelt werden unter Beteiligung der Wirtschaft“. Das
sei „eine Konsequenz der Situation in den öffentlichen Kassen“.
In anderen Bundesländern gebe es das „häufiger“. Es sei „immer
nur die Frage: gibt es da eine Transparenz und wird das ausgewiesen? Und wir
haben da nie ein Hehl draus gemacht“.
Die SPD-Abgeordneten Katrin Altpeter (Landtag) und Hermann Scheer (Bundestag)
sahen das bereits im Oktober 2006 anderes: Indem er das Geld annahm, habe Andriof
auf seine „Neutralitätspflicht verletzt“, schrieben sie in
einer Fachaufsichtsbeschwerde, die vom Innenministerium abgeschmettert wurde.
Das Andriof das Geld erbeten hatte, wussten die Genossen nicht.
Der CDU-Landtagsabgeordnete und Fellbacher OB Christoph Palm erklärte
gestern auf Nachfrage: Wenn sich der Vorgang tatsächlich so abgespielt
haben sollte, „hielte ich das für hochbrisant“. Es sei ja „schon
schwierig, wenn man als öffentlich Bestallter versucht, für karitative
Zwecke Gelder einzutreiben. Und das dann für eine ganz klar hoheitliche
Aufgabe zu tun - vielleicht fehlt mir da die Erfahrung, aber so was habe ich
noch nicht gehört“.
„
Wenn das so zutrifft“, sagte Katrin Altpeter gestern, „dann ist
das ein unmögliches Ding.“ Rein juristisch könne man dagegen
nichts machen - aber es sei „eine sittliche Frage und eine moralische
Frage. Und irgendwo hört’s auf“.
Wie auch immer man den Vorgang einschätzen mag - eines räumt IHK-Hauptgeschäftsführer
Richter ein: „dem Projekt ist es nicht gut bekommen“, dass die
IHK Geld ab. Man habe damit „der Sache nicht unbedingt einen Gefallen
getan“. Der werde dann nämlich schnell „unterstellt, dass
böse Mächte am Werk sind“, und so etwas wirke sich „kontraproduktiv“ aus. „Das
würde man aus der Erfahrung heraus heute sicher nicht mehr machen. Das
war vielleicht einfach naiv.“
Rundschlag |
Die Brücke, das Geld und die MoralVon Peter Schwarz Wir haben: Streit um den Bau einer Straße; die Interessenvertreter
der Wirtschaft halten diese Straße für dringend nötig,
Umweltschützer und Bürgerinitiativen halten sie für fatal. |
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