Seltsame Mutmaßungen eines Verkehrsgutachtens

Umweltschützer erschüttern am zweiten Tag der Erörterungsverhandlung für
die neue Neckarbrücke die Planungsgrundlage

Fellbach. Unverändert heftig prasselte die Kritik am zweiten Tag der Erörterungsveranstaltung für die neue Neckarbrücke auf die Straßenplaner des Regierungspräsidiums und ihre Gutachter ein. Unter Beschuss von Umweltschützern stand insbesondere das Verkehrsgutachten.

Eine Nacht hatte das Planungsbüro BS Ingenieure Zeit zu erklären, warum ihr Gutachten einerseits steigende Verkehrsmengen vorhersagt, ausgerechnet der Schwerlastverkehr soll andererseits angeblich um ungefähr zehn Prozent abnehmen, wenn zukünftig zur Neckarbrücke nordöstlich von Aldingen noch eine zweite südwestlich den Fluss überspannt und die täglichen Staus damit ausbleiben. Gestern bezog das Planungsbüro in der Schwabenlandhalle die von ihm berechneten Zahlen für alle Neckarbrücken in der Gegend ein und verzeichnete für den Übergang bei Hochberg deutlich steigende Lastwagenfahrten. Zwar zeigte das Büro damit auf, wo ein Großteil der Lastwagen seiner Prognose nach anstatt über die alte und neue Brücke fährt. Warum die künftig zwei Brücken an Attraktivität gegenüber dem heutigen Zustand verlieren, erklärte er aber nicht. Joseph Michl, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft gegen den Nord-Ost-Ring (Arge) brachte die Zweifel auf den Punkt: „Das ist ein klarer Widerspruch gegen die Logik. Das Gutachten ist nicht nachvollziehbar." Verkehrsplaner Schröder versuchte eine Erklärung: „Lastwagenfahrer treffen andere Entscheidungen über ihre Route als Autofahrer."

Nach Ansicht der Umweltschützer sagt das Verkehrsgutachten ohnehin zu hohe Verkehrszahlen für die Zukunft voraus. Dies gilt insbesondere, wie am Vortag von vielen Rednern, auch von Fellbachs OB Christoph Palm betont worden ist, in Zeiten rasant steigender Öl- und Benzinpreise. Wenn dieses Zahlenwerk allerdings über umstrittene Annahmen hinaus als in sich fehlerhaft entlarvt würde, entzöge dies der Planung die Grundlage. Der Verhandlungsleiter der Erörterung, Michael Trippen vom Regierungspräsidium Stuttgart, sagte deswegen zu: „Die Kritikpunkte kamen an. Wir werden uns damit auseinandersetzen."

Unversöhnlich blieben die Standpunkte bei der Wahl des Brückenstandorts. Joseph Michl warb in der Veranstaltung erneut für die Billinger-Variante, also einen zweiten Brückenstandort nordöstlich von Aldingen, etwa 400 Meter westlich der bestehenden Brücke. Er favorisiert allerdings nicht die vierspurige Brückenlösung mit darüber hinaus aufgeweiteten Kreuzungsbauwerken, die das Regierungspräsidium als mögliche Alternative untersuchte. „Die ist völlig überdimensioniert, eine Monster-Brücke. Sie ist absolut unnötig", sagte Michl. Nur dieses Bauwerk könne aber, so konterten die Straßenplaner aus dem Regierungspräsidium, den bis 2020 erwarteten Verkehr von 44 000 Fahrzeugen am Tag an der Neckarbrücke aufnehmen. Die zweispurige Lösung sei nicht leistungsfähig genug. Es könne doch nicht sein, dass die Landesregierung 20 Millionen Euro für eine neue Brücke ausgibt, aber die Verkehrssituation nicht ändert, rechtfertigte eine Planerin.

Trotz dieser Beteuerungen: Der Brückenstandort sei nur gewählt, um die Straße später in einen Nord-Ost-Ring zu integrieren, sagten Kritiker. „Das Bauwerk kommt daher wie eine Scheibe Salami", sagte der Arge-Rechtsanwalt Peter Schütz.

Von Hans-Dieter Wolz, Fellbacher Zeitung vom 17.07.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de

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