Die Gegner der Brücke wollen
konstruktiv diskutieren

„Wenn wir uns Mühe geben, sind unsere Chancen gut",
sagt Joseph Michl, der Vorsitzende der Arge Nord-Ost

Fellbach. Joseph Michl ist seit 1995 ein Kämpfer gegen den Nord-Ost-Ring. Seitdem die Arge Nord-Ost im Jahr 2006 ein Verein wurde, ist der 52-Jährige Vorsitzender. Michl glaubt, dass der Kampf gegen die sogenannte Andriof- Brücke und die Straße noch gewonnen werden kann.

Werden Sie bei der Erörterungsverhandlung in der Schwabenlandhalle anwesend sein?
Ich habe mir extra Urlaub genommen. Die Arge wird immer mit einer ausreichenden Zahl von Experten vor Ort sein.

Erwarten Sie irgendwelche Überraschungen seitens des Regierungspräsidiums (RP)?
Eine positive Überraschung wäre, wenn das RP diesmal ein Protokoll anfertigen würde, in dem alle wichtigen Punkte aufgeführt sind. Ansonsten hoffe ich auf qualifizierte Antworten und ein gut vorbereitetes RP. Bei der ersten Erörterungsverhandlung gab es einige Überraschungen mit geänderten Plänen, die der Öffentlichkeit vorher nicht vorlagen. Diese Situation wollen wir diesmal vermeiden, auch im Interesse des RP. Wir haben extra vorher dort angefragt und als Antwort bekommen, dass sich zu den ausgelegten Plänen nichts wesentlich geändert habe und es keine neuen Gutachten gebe. Viele unserer Fragen sind deshalb aber auch noch offen. Bei der ersten Verhandlung gab es dann noch die unschöne Sache mit der ergänzten Umweltverträglichkeitsstudie, die schon einen Monat vorher vorlag, aber mit keiner Silbe erwähnt wurde. Hätte sie uns rechtzeitig vorgelegen, hätte man zielgerichteter diskutieren können und Zeit gespart.

Welche Protestaktionen plant die Arge während der Erörterungsverhandlung?
Wir werden Transparente aufhängen. Aber die Erörterungsverhandlung ist nicht als Demonstrationsveranstaltung gedacht. Wir richten unseren Fokus auf die Inhalte, wir wollen konstruktiv und sachlich das Problem besprechen.

Welches Verhalten raten Sie den Gegnern von Brücke und Straße bei der Erörterungsverhandlung?
Es sollten möglichst viele kommen, und sie sollen Fragen stellen, nach Sinn, Notwendigkeit und Nutzen. Alle diese Fragen wurden bisher vom RP nicht beantwortet. Sie sollen fragen, welche Probleme mit dieser Brücke gelöst werden sollen, wie viele Menschen durch die Brücke entlastet und wie viele belastet werden. Wir wollen eine Bilanzierung dieser Fakten, wie sie beispielsweise in Österreich üblich ist. Wir wollen wissen, wem ist durch diese Brücke geholfen. In der Begründung für den Brückenbau steht, dass sie eine Entlastung bringt, aber der Beweis dafür fehlt. Aber nur wer Nutzen und Schaden erfasst, kann abwägen. Sonst könnte man ja gleich würfeln. Doch bislang fehlt eine Wirtschaftlichkeitsstudie, und es gibt auch keine Kostenaufstellung.

Welche Schritte wird die Arge nach dem Erörterungsverfahren einleiten?
Viele von uns werden erst einmal in den Urlaub gehen, die vergangenen Monate waren anstrengend. Dann werden wir warten, bis unsere Fragen beantwortet und alle Lücken geschlossen sind. Wir sind überzeugt, dass das RP nach dem Erörterungsverfahren nacharbeiten muss. Mit den bisher vorhandenen Gutachten geht auch ein Herr Schmalzl (der Regierungspräsident) nicht in den Planfeststellungsbeschluss. Die Zahlen im Verkehrsgutachten stimmen zum Beispiel nicht, und damit ist die Basis der Planung weg.

Nach der Erörterungsverhandlung steht der Planfeststellungsbeschluss an. Was bedeutet das für die Realisierung der Baupläne?
Wenn das RP beim jetzigen Stand der Dinge den Planfeststellungsbeschluss fassen lässt, wirft es sich selbst Knüppel zwischen die Beine. Sollte das RP es wider besseres Wissens doch tun, werden wir klagen. Aber das ist für uns die „ultima ratio".

Wie schätzen Sie die Chancen der Brücken- und Straßengegner ein, das Vorhaben noch zu verhindern?
Wenn wir uns Mühe geben, sind unsere Chancen gut. Die Straße richtet so großen Schaden an, dass selbst der Bund die Finger davon lässt. In Zeiten explodierender Energiepreise sollte man sich um andere Dinge kümmern, statt immer neue Straßen zu bauen, die bald niemand mehr braucht. Wir sind auch mit Politikern im Gespräch. Es gibt noch verschiedene Ebenen, auf denen die Planung gestoppt und in andere Gleise gelenkt werden kann.

Welche Risiken und Möglichkeiten sehen Sie, falls es zu einer Klage kommt?
Wir haben relativ gute Erfolgschancen, wenn die handwerklichen Fehler vom RP nicht ausgeräumt werden. Die Gerichte tun sich leichter mit formalen Fehlern als mit Abwägungen. Und in unserem Fall fehlt immer noch die Planrechtfertigung, die eine ganz zentrale Frage ist. Aber wir müssen sehen, wie die Richter die Schwere der Eingriffe bewerten, denn es betrifft Arten, die auf der Roten Liste stehen, darunter den Steinkauz und sieben Fledermausarten. Daher ist immer auch noch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof möglich.

Wenn die von der Arge favorisierte Billinger-Variante nicht kommt, zu welchem Kompromiss wären die Arge bereit?
Die Billinger-Variante wäre für uns schon ein Kompromiss, den wir aber mittragen würden, weil er die Menschen tatsächlich entlasten kann. Wir können darüber hinaus sagen, welche Kröten wir nicht schlucken würden: Die Büchenau darf nicht durchschnitten werden, einschließlich des Hangwaldes wegen der Fledermäuse. Wir werden auch keine Straße durch das Schmidener Feld und das Lange Feld akzeptieren. Die Brücke müsste außerdem so niedrig wie möglich gebaut werden und die Straße eine Entlastungsstraße sein, keine Verbindungsstraße für den Fernverkehr. Sie darf also auf keinen Fall eine direkte Anbindung an die Bundesstraßen bekommen.


Joseph Michl glaubt, dass Brücken- und Strassenbau verhindert werden können.

Text und Foto: Eva Herschmann, Fellbacher Zeitung vom 14.07.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de

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