Billingers Variante ist eine Müller-Brücke

Verkehrsplaner Hans Billinger stellt im Gewerbeverein die Lösung der Verkehrsprobleme ohne Nord-Ost-Ring vor

Oeffingen. Auf den Bau einer neuen Neckarbrücke östlich von Aldingen setzt die Stadt Fellbach, um den Nord-Ost-Ring zu verhindern. Hans Billinger stellte die Pläne beim Gewerbeverein vor.

Hans Billinger
Foto: Hans-Dieter Wolz

Der Verkehrsplaner Hans Billinger ist mit einer Planungsidee bekannt geworden: Statt ein Teilstück eines Nord-Ost-Rings – die sogenannte Andriof-Brücke – zu bauen, könnte auch eine Straße über den Neckar, etwa 350 Meter westlich der bestehenden Brücke, das staugefährdete Nadelöhr bei Neckargröningen entlasten. Als er die drei Varianten am Mittwoch in der Hauptversammlung des Gewerbevereins Oeffingen vorstellte, beanspruchte der Namensgeber für diese Idee nicht die Urheberschaft. „Das wäre ungerecht, eigentlich ist das die Müller-Brücke“, sagte Hans Billinger den überraschten Zuhörern. Der frühere Fellbacher Baubürgermeister Hans Müller habe bei einem Planungsgespräch diesen Standort vorgeschlagen: „Er ist der eigentliche Autor der Brückenlage. Den Vorschlag fand ich vernünftig, deshalb habe ich weiter daran gearbeitet.“

Interessant sind die Varianten 2 und 3, die die alte Brücke sperren und allen Verkehr außer dem öffentlichen Nahverkehr auf die neue „Müller-Brücke“ leiten. Dies schafft Platz für wertvolle Wohngebiete in Neckargröningen, für eine neue Stadtmitte Remseck bei der Stadtbahn-Endhaltestelle und für eine neue Stadtbahn-Linie Richtung Ludwigsburg. „So schlecht würde Remseck da nicht verfahren. Man fragt sich schon, warum die Stadt nicht Ja sagt“, kommentierte Hans Billinger. In der Variante 3 wird die Strecke von Remseck nach Hegnach gesperrt und aller Verkehr in Richtung Oeffingen geleitet. Damit werde Remseck im Bereich der Neckarstraße und Remstalstraße „wesentlich entlastet“, sagte Billinger. Mit dem Bau von nur 500 Metern neuer Straße erhalte Hegnach zudem seine Umfahrung.

Oeffinger hören nicht gern, dass sich aller Verkehr von Ludwigsburg nach Waiblingen bei ihnen abspielen soll: „Das passt mir alles gar nicht“, grantelte Heinz Gfröhrer. „Der Verkehr fährt an Oeffingen vorbei auf die Höhenstraße. Der ganze Lärm geht nach oben zu den Menschen, die da wohnen.“ Der neue Vorsitzende des Gewerbevereins und CDU-Stadtrat Paul Rothwein sagt dagegen: „Durch jede Lösung kommt etwas mehr Verkehr auf das Gebiet Oeffingen zu, aber die Andriof-Brücke würde unsere Gemarkung zerstören.“ Billinger setzt eine andere Priorität: „Welche Variante lockt am wenigsten Fremdverkehr an?“ Laut dem Gutachten des Regierungspräsidiums ist das die Variante 3, die 40.000 Fahrzeuge im Jahr 2020 benutzen würden. Die Andriof-Brücke und die weiterhin offene alte Brücke zusammen nähmen zum gleichen Zeitpunkt 46 500 Fahrzeuge auf.


Die Neckarbrücke bei Neckargröningen (Bildmitte) ist ein staugefährdetes Nadelöhr. Der Verkehrs-
planer Hans Billinger will sie durch den Bau einer zweiten Brücke etwa 350 Meter westlich (auf
unserem Foto am linken Bildrand) entlasten. Der von Fellbach abgelehnte Bau einer Neckarquerung
zwischen Aldingen und Mühlhausen würde dadurch entbehrlich. Foto: Patricia Sigerist

Von Hans-Dieter Wolz, Fellbacher Zeitung vom 09.05.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de
POSITION DER STADTVERWALTUNG REMSECK
„Es ist nach wie vor städtebauliches Ziel, für Remseck ein attraktives Zentrum für Wohnen, Handel, Dienstleistungen und Freizeit zu schaffen. Dieses Zentrum ist in der geografischen Mitte von Remseck geplant“, betont die Stadtverwaltung Remseck. Die „neue Mitte“ soll an der Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U 14 bei Neckargröningen entstehen. Der Autoverkehr dort stört diese Pläne. Remseck hofft auf einen Nord-Ost-Ring auf der anderen Seite Aldingens, um die Autos aus seiner „neuen Mitte“ herauszubringen. Die Billinger-Alternativen lehnt die Stadt ab: Wenn die alte Brücke in Betrieb bleibe und dazu eine neue Brücke etwa 350 Meter westlich entstehe, käme die künftige „Neue Mitte“ in eine Art Insellage: „Die Ausgestaltung eines attraktiven Zentrums ist völlig undenkbar. Es ist nur noch eine Nutzung im Sinne einer Autobahnraststätte möglich.“ Remseck will aber auch die Varianten mit einer weitgehenden Sperrung der alten Brücke nicht, obwohl diese die Barrierewirkung der schon heute vielbefahrenen Straße aufheben würde. Doch die Stadt zweifelt an, dass diese Straße, obwohl vierspurig, staufrei funktionieren könne: „Kurze Abstände zwischen den einzelnen Knotenpunkten als auch die Signalisierung lassen ein erhöhtes Stauaufkommen erwarten. Steile Rampen mit jeweils 7,5 Prozent werden gerade in Bezug auf den hohen Schwerlastverkehr als problematisch angesehen.“ Auf der Strecke werde es schwierig, sich zu orientieren. wz
POSITION VON FELLBACH
Die Stadt Fellbach lehnt die geplante Neckarquerung zwischen Aldingen und Mühlhausen ab, die im weiteren Verlauf freies Feld bei Oeffingen zerschneidet und dazu einlädt, als Nord-Ost-Ring weiter bis zur B 27 auf der einen und zur B 14/B 29 auf der anderen Seite verlängert und verbreitert zu werden. Dies würde überregionalen Verkehr vor der Haustür der Oeffinger Bevölkerung anziehen. Stattdessen fordert Fellbach den Bau einer neuen Neckarbrücke zwischen Aldingen und Neckargröningen, die sogenannte Billinger-Variante, von der es zwei Auslegungen gibt. Durch sie wird am geringsten in Natur und Landschaft eingegriffen. Der Stadt Remseck, die an der Nord-Ost-Tangente festhält, hält Fellbach vor, ihre geplante Neue Mitte lasse sich auch durch eine ortsferne Billinger-Variante verwirklichen. Neckargröningen werde so entlastet. Im Übrigen habe Remseck die Neue Mitte nicht konkretisiert: „Von der Stadt Remseck wurden keine Erklärungen über Art und Inhalt sowie Umfang einer städtebaulichen Entwicklung im Bereich Neue Mitte vorgestellt. Die An- und Aufsiedlungen der letzten Jahre mit der Ausweisung von Wohn- und Gewerbeflächen für Tausende neuer Bürger und eine Vielzahl von Industriebetrieben haben in allen Teilorten, jedoch nicht im Bereich der ,neuen Mitte‘ stattgefunden.“ Auch das Regierungspräsidium müsse, fordert die Stadt Fellbach, die Billinger-Varianten neu bewerten. Der Lärmschutz sei lösbar. Statt der vorgesehenen fünf bis zehn Meter hohen Lärmschutzwand müssten „intelligente Planungen“ in diesem Teilabschnitt zu akzeptablen Lösungen führen. wz
KOMMENTAR

Zwei bessere Lösungen

Von Hans-Dieter Wolz

Hans Billinger hat am Mittwoch in Oeffingen überzeugend dargelegt, dass es Alternativen zum Straßenneubau und brachialen Geländeverbrauch beim Tennhof in Oeffingen gibt. Anders gesagt: Die Andriof-Brücke entsteht zwischen Aldingen und Mühlhausen am falschen Platz.

Was das Regierungspräsidium gegen die sogenannten Billinger-Varianten einwendet, entpuppt sich als vorgeschoben. Die Brücken-Abfahrt belastet das Wohngebiet Schlossberg in Remseck mit Lärm? Hans Billinger würde dieses Problem mit einem Deckel über der Straße und einer Art Galerie zum Neckar hin elegant lösen. Remseck kann seine „neue Mitte“ nicht bauen? Auch diese neue Mitte könnte gegen Verkehrslärm wirksam abgeschirmt werden. Nach Neckargröningen hin ist bei Variante 2 oder 3 jedenfalls viel undurchschnittener Platz.

Verkehrsverlagerungen nach Hohenacker bei der Billinger-Variante 3 stehen heftige Zusatzbelastungen in Kornwestheim und in Stuttgarter Neckarvororten durch die Andriof-Brücke gegenüber. Es zeigt sich: Ohne Ausbau zur Nord-Ost-Verbindung mit Option zum Autobahnring ist die jetzt geplante Trasse zur Andriof-Brücke nahezu für alle Städte und Gemeinden in der Gegend nachteilig. Das gilt selbst für das uneinsichtige Remseck. Ein Ja zur Andriof-Brücke hat nur für den Politiker Sinn, der sie flugs weiterbauen und womöglich noch verbreitern will.

Die Oeffinger werden durch die Billinger-Variante 3 und die Andriof-Brücke mit Verkehrslärm nahezu gleichermaßen belastet. Aber der Nord-Ost-Ring, wenn dieser Albtraum je wahr wird, lässt dem Stadtteil nur noch den zweifelhaften Charme eines Autobahnanrainers. Ihn gilt es zu verhindern. Es gibt zwei bessere Lösungen: die Varianten 2 und 3 unter dem Namen Billinger.

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