Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schwarz
Hans Billinger. Bild: Schlegel |
Wo liegt das Problem?
Genau wie das Regierungspräsidium will Hans Billinger das Problem
lösen, dass der über die Remsecker Neckarbrücke flutende Verkehr
zwischen den Räumen Ludwigsburg/Kornwestheim und Fellbach/Waiblingen regelmäßig
im Stau stecken bleibt. Das Regierungspräsidium allerdings will eine
neue Brücke bei Aldingen, die nach Westen hin an die Bundesstraßen
B10 und B27 und nach Osten hin an B14 und B29 andockt. Dabei würde
eine neue Straße quer durchs Schmidener Feld nötig. Billinger
dagegen will eine neue Brücke unweit der alten, nur einige hundert
Meter davon abgerückt. Diese Brücke soll nicht
großräumig Bundesstraßen verbinden, sondern nur die Landesstraßen
diesseits und jenseits des Neckars. Über diese Brücke soll
der aus Ludwigsburg kommende Verkehr auf bestehenden Straßen
erst südwärts bis zum Oeffinger Norden und dann ostwärts,
südlich an Hegnach vorbei, auf die Waiblinger Westumfahrung geführt
werden (siehe zu den Konzepten die beiden Grafiken unten).
Welcher Grundidee folgt Billinger?
„Wir wollen hier in diesem dicht besiedelten Gebiet nicht zu viel Fremdverkehr
und Lastwagenverkehr anziehen“ – das ist Hans Billingers Kernsatz.
Und so ist sein Modell darauf ausgerichtet, lediglich eine bessere örtliche
und regionale Verbindung zu schaffen. Die Variante des Regierungspräsidiums dagegen,
glaubt Billinger, würde dem Fernverkehr eine zügige und mautfreie
Schnell-Strecke bieten: von der A81 runter und über B10 oder B27, Andriofbrücke,
Nordostring, Waiblinger Westumfahrung und B29 durchs Remstal bis zu den
A7- und A8-Auffahrten hinter Aalen.
Was sagen die Zahlen?
Bisher gibt es eine Brücke über den Neckar, und sie ist dauernd
verstopft. Das Konzept des Regierungspräsidiums sieht zwei Brücken vor – die
alte bleibt offen (und soll künftig noch knapp 25.000 Kfz pro Tag
verkraften), hinzu kommt die Andriof-Brücke bei Aldingen (mit
prognostizierten knapp 22.000 Kfz pro Tag). Das ergäbe zusammen 46.500
Kfz pro Tag. Billinger dagegen will den Verkehr über seine neue
zweispurige Brücke leiten – und über die bisherige nur
noch Busse lassen, aber keine Pkw und Lkw. Das Regierungspräsidium prophezeit
dann der Billinger-Brücke gut 40.000 Kfz pro Tag. 46.500 gegen 40.000 – daraus
lässt sich ableiten: Das Billinger-Modell zieht weniger Verkehr an.
Reicht eine einzige Brücke?
Billingers Lösung wirft allerdings eine drängende Frage auf:
Wenn bisher eine zweispurige Brücke nicht reicht – wie soll dann
künftig eine zweispurige reichen? Denn die alte wird ja dichtgemacht?! Billingers
Antwort: Die Staus beim bisherigen Standort liegen nicht an der Brücke selber,
sondern an den „Brückenköpfen– und die muss man
leistungsfähiger machen“. Bei der alten Brücke gibt es „einfach nicht
genug Platz, um einen größeren Knotenpunkt zu entwickeln“.
Der neue Standort biete da ganz andere Möglichkeiten. Billingers
Vorbild ist der Heslacher Tunnel: Auch er ist nur zweispurig – und doch
verkraftet er täglich 45 000 Autos. Die Lösung: Vor dem Tunnel
sind die Einfahrten auf rund 100 Metern auf je zwei Spuren aufgeweitet
und werden dann wieder verflochten. So flutsche es an den Eingängen.
Was spricht gegen diese Lösung?
Das Regierungspräsidium traut Billingers Argumentation, dass eine
pfiffig konzipierte zweispurige Brücke das erwartbare Verkehrsaufkommen verkraften
würde, offenbar nicht. Es folge dabei gängigen Richtlinien, die
vier Spuren nahe legen, sagt Billinger –
so gesehen könne man der Behörde keinen Vorwurf machen. Nur
seien eben diese traditionellen Leitsätze Ausdruck eines „Trends:
Da überlegt man gar nicht, wie man das sparsamer machen kann.“ Gibt es
eine Betriebsblindheit unter Straßenplanern? Eine Neigung, bescheidenere
Varianten abzutun und immer nur den ganz großen Wurf zu wollen?
Billinger schweigt und sinniert, endlich sagt er: „Das stimmt.“ Er sinniert
weiter. „Das stimmt wahrlich.“
Was wird aus Hegnach?
Nur eine Andriofbrücke nebst Nordostring erlöse die ebenfalls
staugeplagten Hegnacher vom Durchgangsverkehr, argumentieren viele. Irrtum, sagt Billinger.
Sein Konzept sieht eine ortsnahe Umgehung im Süden vor, die Strecke
wäre nur 500 Meter lang und „relativ leicht zu realisieren“. An
den Kreisel im Süden Hegnachs müsste man nur einen vierten Arm
als Anschluss machen; fertig. Und die Neckarstraße, bisher als
Landesstraße ausgewiesen und besonders gepeinigt, könnte zur
Gemeindestraße herabgestuft und zur Tempo-30-Zone gemacht werden.
Was wird aus Remseck?
Der Remsecker Oberbürgermeister Karl-Heinz Schlumberger will das bisher
eher tote Gebiet unmittelbar westlich der bestehenden Brücke zu
einer Neuen Mitte ausgestalten. Wenn östlich dieses Areals die Billingerbrücke nebst
Zufahrt käme, wäre der Traum ausgeträumt, sagt er. „Das
stimmt einfach nicht“, sagt Billinger. Die Billinger-Brücke
wäre 400 Meter von der Neuen Mitte entfernt – und eröffnete große „Stadtentwicklungschancen“:
Die alte Brücke, gesperrt für den Individualverkehr, ließe
sich nebst ihrer nördlichen Zufahrtsstraße zu einer Allee umgestalten,
die „hässliche Lärmschutzwand“ dort könnte abgebaut
werden. Und so ergäbe sich ein „Grünzug“, eine sanfte
organische Trennung zwischen dem alten Neckargröningen und der Neuen Mitte. Das könne „für Remseck
ein großer Gewinn sein“. Aldingen bliebe vom Andriof-Brücken-Verkehr
verschont, und auch Neckargröningen würde entlastet: Der bisher
direkt an den Häusern vorbeiflutende Verkehr würde ja weiter
entfernt fließen, hinter einem schützenden Grüngürtel.
Was ließe sich noch vorstellen?
Hans Billinger nennt sich nicht „Straßenplaner“, er
nennt sich „Verkehrsplaner“. Und so hat er bereits weiter
führende Ideen: Auf der bisherigen Straßen-Trasse vom Neckargröninger Westrand über
die alte Neckarbrücke bis nach Hegnach könnte künftig eine
Stadtbahn fahren. Eine Bahn von Ludwigsburg bis Waiblingen: Auch das
wäre ein Mosaikstein zur Lösung des Verkehrsproblems. Es müssen nicht immer Straßen sein.
Die Andriof-Brücke (auf der Grafik links mit der blauen (1) gekennzeichnet)
ergibt nur Sinn, wenn sie nach Westen und nach Südosten an die
Bundesstraßen B10/B27 (2) und B14/B29 (4) angebunden
wird. So entstünde ein großer Zusammenhang: Es bildete sich ein Ring rund um Stuttgart.
Das Verbindungsstück von der Andriof-Brücke bis zur Waiblinger
Westumfahrung wäre eine Straße quer durch das Schmidener Feld (3),
ein ökologisch wertvolles Gebiet und die letzte zusammenhängende Freifläche
im ansonsten heftig zugebauten Stuttgarter Nordosten.
Dieser Ringschluss im Nordosten Stuttgarts würde nicht nur die Bundesstraßen B10/B27
und B14/B29 verbinden, sondern letztlich auch die über diese Bundesstraßen
erreichbaren Autobahnen. Von der A81 im Westen zur A7 im Südosten (auf
der Karte nicht mehr zu sehen) könnte sich der Verkehr dann einen Weg über
Nordostring und B29 durchs ganze Remstal bahnen.
Einer ganz anderen Logik
folgt die Billinger-Lösung: Hier geht es nur darum, die Verkehrsverstopfung
in Remseck auf der alten Neckarbrücke (auf der Grafik rechts
mit der roten (6) gekennzeichnet) aufzulösen.
Zu diesem Zweck wird der Verkehr von Norden her über das Straßenstück
(2) zu einer neuen Neckarquerung geführt, der sogenannten Billingerbrücke (1).
Von dort fahren die Autos auf bestehenden Landesstraßen (3) gen Süden
bis zum Oeffinger Ortsrand und weiter gen Osten Richtung Hegnach, wo Billinger
zur Entlastung eine ortsnahe Umfahrung (4) vorsieht.
Die dicht am Neckargröninger
Ortsrand vorbeiführende Straße (5), die bisher viel Verkehr zu
verkraften hat, könnte laut Billinger in eine Allee verwandelt, die alte
Neckarbrücke (6) ebenfalls begrünt und für den motorisierten
Individualverkehr gesperrt, die Straße zwischen Remseck und Hegnach
(7) zurückgebaut und die vom Durchgangsverkehr befreite Hegnacher Neckarstraße
(8) zur Tempo-30-Zone gemacht werden. Die ganze Strecke von Neckargröningen bis
Hegnach (5 bis 8) könnte als Trasse einer Stadtbahn von Ludwigsburg
nach Waiblingen dienen.
(Andriof-Brücke als Teil des Nordost-Rings) |
Derzeit gibt es eine zweispurige Brücke, sie ist mit 35.000 Autos
am Tag überlastet. Für Schlumberger ist klar: Remseck braucht eine
zweite zweispurige Brücke, damit der Verkehr über beide Querungen
kann und insgesamt vier Spuren zur Verfügung hat. Wenn Billinger
etwas anderes vertrete, „ist das der Punkt, wo bei mir schlichtweg
der Verstand versagt“. Bei 27.000 bis 28.000 Kfz liege „die
Maximalkapazität einer zweispurigen Brücke“, da würden
auch keine vergrößerten oder klug gestalteten Zufahrten helfen. „Das
Gegenteil behaupten nur Herr Billinger und seine Freunde“. Für
Schlumberger ist das „gelinde gesagt ne Schnapsidee“. Zwar
nenne Billinger als Vorbild den Heslacher Tunnel, der bei zwei Spuren 45.000
Wagen pro Tag aufnimmt – aber „mein Verkehrsplaner“, sagt
Schlumberger, „zitiert auch den Heslacher Tunnel“: als „Beispiel
dafür“, dass zwei Spuren solche Fahrzeugmassen eben nicht mehr
verdauen könnten. In dem Tunnel herrsche „Dauerstau, und zwar
massiv“.
Künftig vier statt bisher zwei Spuren über den
Neckar – das würde zusätzlichen
Verkehr anziehen, räumt Schlumberger ein. Aber der könne sich
dann eben auf zwei Brücken verteilen – und jede müsste
nur verkraftbare Happen schlucken: die alte Brücke knapp 25.000
Kfz pro Tag, die neue knapp 22. 000. Für Remseck hieße das
aus Sicht des OB: mehr Verkehr, weniger Stau.
Und wenn zwei Brücken
nun mal unausweichlich seien, dann möge doch bitteschön wenigstens
eine davon nicht „mitten im Herzen Remsecks“ liegen. Deshalb ist aus
Schlumbergers Sicht die Andriof-Brücke die richtige Lösung.
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