Scheppern, dröhnen, rattern: Güterzüge, die über das Zazenhäuser Viadukt rollen, sind alles andere als leise. Zahlreiche Anwohner können davon seit Jahren ein Lied singen. „Am schlimmsten ist es zwischen drei und sechs Uhr in der Nacht", sagt Peter Gramberg. Er wohnt rund 200 Meter Luftlinie entfernt von der Strecke und ist beim Bürgerverein Zazenhausen der Experte für das Thema Bahnlärm. Vor kurzem hat der Verein einen Brief an sämtliche Gemeinderatsfraktionen, Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und andere Würdenträger geschrieben, in dem die Situation beklagt und darum gebeten wird, Abhilfe zu schaffen. Es ist nicht der erste Brief dieser Art. „Seit zehn Jahren passiert nichts", sagt Gramberg. Damals, im Jahr 1999, sind 660 Unterschriften gegen den Lärm gesammelt worden. Seitdem sind die ratternden Güterzüge ein Dauerthema.
Eigentlich hätte bereits im November 2008 ein von der Bahn ausgearbeitetes Gutachten im Gemeinderat vorgestellt werden sollen, das sich mit der Viadukt-Problematik beschäftigt. Es ist aber nicht rechtzeitig fertig geworden. Wann es so weit ist, darüber kann man im Rathaus keine Auskunft geben. Wie dem auch sei: Von dem Gutachten versprechen sich die lärmgeplagten Zazenhäuser ohnehin wenig bis gar nichts. Das Regelwerk der Bahn ist nämlich deutlich in die Jahre gekommen. Bei Untersuchungen, so Gramberg, würden zwar Spitzenwerte erfasst, dann aber über einen Zeitabschnitt von acht Stunden gemittelt. Oder, wie Gramberg es beschreibt: „Die Bahn rechnet, wir hören." Theoretische Messwerte hätten mit der Situation vor Ort herzlich wenig gemeinsam.
Mitglieder des Bürgervereins haben in der Vergangenheit selbst das Messgerät in die Hand genommen und kamen dabei zu eindeutigen Ergebnissen. „Nachts betrug der Spitzenwert bis zu 80 Dezibel. In einem reinen Wohngebiet sind um diese Zeit nur 49 Dezibel erlaubt, tagsüber liegt der Grenzwert bei 59", erklärt Gramberg. Zwar gebe es Lärmschutzwände, deren Wirkung sei aber unzureichend. Der dringlichste Wunsch sei deshalb, den Schallschutz deutlich zu erweitern und das Viadukt komplett mit Lärmschutz einzuzäunen.
Im Stuttgarter Rathaus scheint man sich der Problematik durchaus bewusst zu sein. „Das Regelwerk muss aktualisiert werden", sagt ein Fachmann aus der Verwaltung, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Die zur Zeit angewandten Rechenverfahren stimmten nicht unbedingt mit der Physik überein. Der Fehler liege nicht bei der Stadt. Man könne nur das Regelwerk als Grundlage heranziehen, das die Politik zur Verfügung stelle - und zwar bundesweit. Eine Änderung, so der Fachmann, hätte finanziell weitreichende Folgen.
Das Bahnviadukt führt durch Wohngebiete.
Seit Jahren setzen sich
Anwohner und Bürgerverein für zusätzlichen Lärmschutz
ein.
Text und Foto: Bernd Zeyer, Stuttgarter Nachrichten
vom 12.02.2009
www.stuttgarter-nachrichten.de
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