Flüsterbremse soll Bahnlärm lindern

Sieben Bürgervereine kämpfen gegen Geräuschkulisse beim Güterverkehr

Leonberg - Sieben Bürgervereine aus Leonberg und Magstadt kämpfen gemeinsam gegen Bahnlärm. Sie fordern geräuscharme Bremsen und Tempolimits auf der Strecke von Korntal nach Böblingen.

„Man muss Druck machen, sonst passiert nichts", ist Ewald Thoma überzeugt. Er ist Sprecher der neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm Region Leonberg (AGVL), zu der die Initiativen aus Leonberg und Magstadt gehören. Er und seine Mitstreiter, betont Thoma jedoch, seien „keine Gegner des Bahnverkehrs".

Ihn stört vielmehr der Lärm der Güterzüge - vor allem nachts. „Das ist schon lästig", sagt der 58-Jährige. Zumal er nun einen Vergleich hat, wie es ohne die Belastung ist: Monatelang war die Strecke von Korntal über Leonberg und Renningen nach Böblingen wegen des Ausbaus der S-Bahn-Linie S 60 für Güterzüge gesperrt. Erst seit wenigen Wochen fahren sie wieder - allein in der Zeit von 22 bis 6 Uhr sind es zwischen zehn und 20.

Wie laut sie sind, kann Thoma auf den Dezibel genau sagen. Seit zwei Jahren misst er die in etwa 80 Meter Entfernung an seinem Haus vorbeiratternden Waggons. Sie erreichen einen Lärmpegel von 65 bis 70 Dezibel - nachts wohlgemerkt. S-Bahnen dagegen liegen um rund zehn Dezibel darunter. Sie empfindet der Mensch als nur halb so laut.

Der Informatiker hat konkrete Vorschläge, wie sich der Geräuschpegel der Güterzüge reduzieren ließe: Die alten Graugussbremsen sollen durch neue ersetzt werden. Der Bremsklotz aus modernem Material raue die Radoberfläche nicht mehr auf und reduziere so das Rollgeräusch, erklärt ein Sprecher der Deutschen Bahn den Vorteil der sogenannten Flüsterbremsen. Etwa 3500 neuere Wagen der Bahn sind damit schon ausgestattet. Sie und private Anbieter aber haben rund 135.000 Güterwaggons. Sie umzurüsten, würde etwa 600 Millionen Euro kosten, schätzt der Bahnsprecher: „Das geht nicht auf einen Schlag. Das kann kein Mensch bezahlen."

Der Einbau moderner Bremsen macht aus seiner Sicht nur dann Sinn, wenn auch Eisenbahnunternehmen aus anderen europäischen Ländern mitmachen würden: Ansonsten „verpufft die Wirkung". Auf der Strecke bei Leonberg beispielsweise fahren viele Güterzüge Richtung Schweiz und Österreich. „Der Großraum Stuttgart hat sehr viel Industrie, entsprechend viele Transporte fallen an", so der Bahnsprecher. In Zukunft werden es sicherlich noch mehr.

Die modernen Bremsen hält Ewald Thoma für ein besonders wirkungsvolles Mittel zur Lärmminderung. Davon würden nicht nur die Anwohner in Leonberg profitieren, sondern alle. Neben Tempolimits und der Sanierung von Brücken und Schienen fordert er eine lärmabhängige Trassengebühr. Transportunternehmen müssten für laute Waggons mehr bezahlen als für leise. Darüber denkt auch die Bahn nach.

Für Thoma und seine Mitstreiter aber bewegt sich die Bahn noch zu langsam. Denn nur bei Neu- und Ausbaustrecken zwingt sie der Gesetzgeber dazu, in Lärmschutz zu investieren. Deshalb hat er das Bündnis der verschiedenen Bürgervereine initiiert, das für weitere offen ist. Der Leonberger wünscht sich ein Netzwerk aus Bürgern, Kommunen und Abgeordneten wie am Oberrhein. Dort haben im Sommer der Regionalverband Südlicher Oberrhein zusammen mit der Universität Freiburg den ersten Schienenlärmkongress veranstaltet.

Von Birgit Klein, Stuttgarter Nachrichten vom 13.11.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de

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