Aus Altersgründen waren die Tage der Viadukte ohnehin gezählt. Aber während die Bundesbahndirektion Stuttgart noch im April 1976 verlauten ließ: "Neubau frühestens in zehn Jahren", steht der erste Viadukt schon fünf Jahre früher zum Neubau an. DB-Brückendezernent Walter Gerlinger neulich im Bezirksbeirat Zuffenhausen: "Proteste gegen Lärm-und Rußbelästigungen haben das Verfahren beschleunigt."
250 Züge rattern innerhalb von 24 Stunden über die Viadukte. Es sind vorwiegend Güterzüge, die sich den Umweg über Stuttgarts Haupt- und Sackbahnhof sparen können, es sind die Autoreisezüge, und es sind die "Schusterzüge", eine fast schon historische Einrichtung. Je zweimal am Tag (vormittags und abends) verkehren Nahpersonenzüge zwischen Untertürkheim und Kornwestheim mit Halt in "Ebitzweg" Bad Cannstatt, Münster und Zazenhausen. Sie sind von jeher eine günstige Verbindung für Arbeitnehmer zur Schuhfabrik Salamander; daher der Name.
Beide Viadukte wurden als stählerne Netzfachwerkbrücken mit obenliegender Fahrbahn konstruiert, auf der die Eisenbahnschwellen direkt aufliegen. Zwischen 1894 und 1896 wurde eine Gleisseite gebaut, zwischen 1902 und 1904 die zweite. Deshalb haben die Viadukte keine geschlossene Decke, sind zudem nur genietet, was zusammen mit einem fehlenden Schotterbett den rasselnden Höllenlärm erzeugt.
Jetzt stehen beide Viadukte nacheinander zur Erneuerung an: der 206 Meter lange (mit zwei Pfeilern im Abstand von 68 Metern) und etwa 34 Meter hohe über den Feuerbach zuerst; der 675 Meter lange (mit 10 Pfeilern, 60 bis 68 Metern Stützweite) und etwa 25 Meter hohe über den Neckar ein Jahr später. Die geschätzten Kosten bewegen sich in Größenordnungen von 15 Millionen Mark (= 7,67 Mio. Euro) für die kleine, 40 Millionen Mark (= 20,45 Mio. Euro) für die große Brücke. Während in Zazenhausen der neue Brückenschlag 12 m neben dem alten Viadukt verläuft, muss in Münster/Bad Cannstatt erst die halbe Brücke gebaut, dann die Hälfte der alten gebrochen und dafür der zweite neue Teil errichtet werden. Wegen der hohen Belastung ist selbst eine längere eingleisige Strecke nicht denkbar.
"Aber die Konstruktion der beiden neuen Brücken muss nicht zwingend dieselbe sein", sagt Brückendezernent Walter Gerlinger. Zur Debatte steht derzeit auch erst die auf Zazenhäuser Seite. Drei Varianten legte die Bundesbahn dafür vor: Stahlfachwerkbrücke, die der jetzigen Konstruktion am nächsten kommt; Spannbeton- oder Stahlbrücke. Alle drei haben eine dichte, durchgehende Führung (nichts fällt mehr durch, nichts klappert mehr) und ein Schotterbett, das zusätzlich Lärm dämpft. Gelinger: "Der Preis wird bei der Entscheidung der DB-Hauptverwaltung entscheidend sein."
Für den Bezirksbeirat Zuffenhausen ist höchstmöglicher Lärmschutz das wichtigste. Aus einer schalltechnischen Untersuchung der Bahn geht hervor, dass die Spannbetonbrücke die leiseste wäre. Die Stahlbrücke ist - in einer Reichweite bis zu 130 Metern - um zwei bis drei Dezibel lauter, was in Zazenhausen immerhin einige Häuser treffen würde. Die Stahlfachwerkbrücke könnte laut Gerlinger durch eine Dämm-Matte zwischen Schotter und Stahl etwa auf das Lärmniveau der anderen gedrückt werden. Im Schnitt soll der bisherige Lärm um bis zu 7 Dezibel gedämpft werden. Die Bahn: "Nach verschiedenen Aussagen der Literatur bedeutet eine Verminderung um zehn dB (A) eine Halbierung des subjektiven Lärmempfindens."
Missfallen haben im Bezirksbeirat Zuffenhausen die geplanten fünf Stützpfeiler erregt (bisher zwei). Gerlinger: "Wegen der Schwere des Schotterbetts können die Spannweiten nicht mehr so groß sein wie bisher." Man habe 50 Meter Spannbreite versucht, müsse aber wegen zugebautem Gelände, Wasser und zusätzlichen Bodenverwerfungen auf 44 Meter gehen. Beim Neckerviadukt wird das alles noch schlimmer, müssten die Spannweiten sogar unterschiedlich sein, da das Gelände noch komplizierter sei und mittendrin das Müllverbrennungswerk der TWS steht.
Über die Köpfe der Zazenhäuser hinweg poltern die Güterzüge über
den veralteten Viadukt.
Die Zazenhäuser, und ein Tal weiter auch Bewohner in Münster und Bad Cannstatt, haben das Gefühl, als trample ihnen ständig jemand auf dem Kopf herum. Der Viadukt aus der Zeit um die Jahrhundertwende (1900) macht ihnen - hüben wie drüben - schwer zu schaffen. Die veraltete Konstruktion sorgt für einen Höllenlärm, wenn Züge darüber fahren. 250 sind es innerhalb von 24 Stunden auf dieser vielbefahrenen Strecke Untertürkheim-Kornwestheim. Zwei neue Brücken sollen den Lärm zur Hälfte dämpfen.
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