Steinkauz muss jungen Familien Platz machen

Umstrittenes Wohngebiet vom Gemeinderat beschlossen -
Bis zu 1200 neue Einwohner für Zazenhausen

Lausige Zeiten für Steinkäuze, Grünspechte und Co. in Zazenhausen: Am Rand des 1760-Seelen-Stadtteils werden bis zu 400 neue Wohnungen entstehen. Zum Teil recht seltene Spezies müssen umziehen, damit bis zu 1200 Menschen einziehen können.

Das kleine Zazenhausen kommt ganz groß raus: Mit 370 bis 400 Einheiten wird hier ein neues Wohngebiet entstehen, wie es in ganz Stuttgart mangels geeigneter Flächen selten ist. Unter anderem für junge Familien seien die Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser und Geschosswohnungen, jeweils etwa 25 Prozent, „unabdingbar", meinte die Stadt- verwaltung. Auch hier war der Widerstand groß. Die Umweltschützer mobilisierten die Bevölkerung, weil im geplanten Baugebiet Hohlgrabenäcker 36 verschiedene Vogelarten brüten, darunter streng geschützte wie der Steinkauz. Dieser sei akut vom Aussterben bedroht. Nur noch 300 Brutpaare gebe es im Land.

Dieser seltene Vogel hielt noch vergangene Woche Stadtplaner und Mitarbeiter des Regierungspräsidiums in Atem, doch am Donnerstag ließ die Stadtverwaltung den Bebauungsplan vom Gemeinderat beschließen. Immerhin 14 Mitglieder stimmten dagegen. Die Grünen waren weiterer Reden in dieser Sache zwar überdrüssig, doch blieben sie bei ihrer Ablehnung. Dagegen stimmte Ulrike Küstler (PDS), die häufig Nein sagt, diesmal „in der Abwägung" zu. Der Entwurf sei im Lauf der Zeit sehr gut überarbeitet worden.

Solch Lob ist Balsam für eine Bauverwaltung, die viel Arbeit hatte. Allein das Papier mit der Beschlussvorlage war zwei Zentimeter dick, von den sonstigen Akten ganz zu schweigen. Die Verwaltung räumte ein, dass der Verlust an gutem Ackerboden auch anderswo nicht aus- zugleichen sei, für die Tierpopulationen könne man aber rechnerisch kompletten Ausgleich schaffen. Für die Steinkäuze wurden im Bereich Kirchberg/Bisachgraben bereits 15 Nist- röhren in die Natur gehängt. Im Herbst will man zwei städtische Grundstücke in Streuobst- wiesen verwandeln - alles in der Hoffnung, dass die Tiere „neue Habitate" beziehen. Erste Baumfällungen im Baugebiet wurden auf Herbst vertagt, um das Balzen, der Steinkäuze nicht zu stören.

Auch mit dem Denkmalschutz ist die Verwaltung im Reinen. Von Herbst an wird nach den Resten einer jungsteinzeitlichen Siedlung und einer alten Römerstraße gegraben werden. All dies verzögert allenfalls einen Teil der Hausbauten vorübergehend. Nach so einem Mammutverfahren birgt das keinen Schrecken mehr. Die Stadtverwaltung jedenfalls hat am Donnerstag hörbar aufgeatmet.

Noch wohnen im künftigen Baugebiet (markierte Fläche) seltene Vögel wie der Steinkauz.

Fotos: Stadtmessungsamt/Archiv

Text: Josef Schunder
Stuttgarter Nachrichten vom 01.07.2006
www.stuttgarter-nachrichten.de

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