STUTTGART. An diesem Freitag wird sich der Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats erstmals mit dem Bauskandal in Zazenhausen befassen. CDU und SPD wollen den 25 geschädigten Bauherren helfen. Doch die Spielräume von Politik und Verwaltung sind begrenzt. Auch die Rolle der Stadt in dem Bauskandal wirft Fragen auf.
Im Kern geht es darum, dass zwölf Doppelhaushälften im Bittenfelderweg und im südlichen Rosenapfelweg zu groß und sechs Doppelhaushälften und ein Einzelhaus im nördlichen Rosenapfelweg zu hoch sind. Die maximal zulässigen Bau-Maße legt der städtische Bebauungsplan fest. Gegen diese Vorgaben hat die von den privaten Bauherren für Planung, Baugenehmigung und Bauüberwachung beauftragte Firma PP Bauconsulting verstoßen beziehungsweise die Auflagen der Stadt ignoriert. Das haben die Bauherren laut eigenem Bekunden erst erfahren, als die Stadt wegen der Verstöße am 25. September den Baustopp verhängte.
Die sieben Gebäude im nördlichen Rosenapfelweg liegen nach Auskunft von Baubeteiligten 0,40 bis 0,74 Meter zu hoch im Gelände. Die Stadt hat anklingen lassen, dass sie diese Verstöße - die wohl keinen Zugewinn an Wohnraum bringen - nachträglich genehmigen könnte. Doch das löst den Konflikt mit der Nachbarschaft nicht: Bauherren im Bittenfelderweg, deren Rohbauten hangaufwärts in der nächsten Baureihe stehen, verlangen auf den zu hohen Häusern zumindest den Abbau der Sonnenkollektoren auf dem Dach. Das wäre für die betroffenen Bauherren verheerend, weil ihr Haus dann nicht mehr die von der Stadt geforderte Energieeffizienz hätte.
Wo die Rechte Dritter betroffen sind - in dem Fall die der Bauherren oberhalb - muss die Stadt eine Lösung finden, die auch einem Rechtsstreit standhält. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Wert der Häuser oberhalb durch eine verbaute Sicht reduzieren könnte. Dass die oberen Häuser auch gegen den Bebauungsplan verstoßen, ändert daran nichts.
Die Gebäude im Bittenfelderweg und im südlichen Rosenapfelweg ragen im Untergeschoss mit 11,80 Meter Länge um 0,80 Meter über die zulässige Baulinie hinaus. Zudem wurden an manchen Häusern nicht genehmigte, 0,50 Meter tiefe Erker angebracht. Im Fall der Längenüberschreitungen hat die Stadt den Rückbau der 0,80 Meter angeordnet, also den Abriss. Weil dafür neue Fundamente nötig sind und bei manchen Häusern die Fußböden bereits fertig ausgebaut sind, drohen auch hier eklatante Mehrkosten.
Die Stadt könnte den Konflikt lösen, indem sie den Bebauungsplan im fraglichen Abschnitt den zu langen Gebäuden anpasst. Das hieße jedoch, einen Rechtsverstoß im Nachhinein zu legalisieren. Das könnte auch andere Bauherren auf den Plan rufen, die im Konfliktfall eine ähnliche Milde fordern.
Die Firma PP hat die Häuser im sogenannten Kenntnisgabeverfahren errichtet. Dieses Verfahren, bei dem die Stadt in der Bauphase außen vor ist und stattdessen der Bauherr die Verantwortung für einen korrekten Bau trägt, ist aus Sicht des baden-württembergischen Städtetags mit schuld an dem Skandal. Ansprechpartner für die Stadt im Kenntnisgabeverfahren war und ist PP B auconsulting. Die Firma besitzt auch nach wie vor die Vollmacht aller Bauherren, die Größen der Bauten über alle Grundstücke hinweg zu kompensieren. Die Vollmacht gilt als heikel, weil ihr die Bauherren ausgeliefert sind. Doch sie steht so in den Verträgen der Stadt über den Verkauf der vormals städtischen Grundstücke an die Bauherren.
PP hatte sich zuvor auf ein Angebot der Stadt gemeldet, gegen Höchstpreis für zwei Drittel der Grundstücke eine „Erwerbszusage" erhalten und daraufhin mit der Vermarktung der Häuser begonnen. Ein Drittel der Grundstücke kaufte zunächst ein Makler. In beiden Fällen wurde den Bauherren PP als Projektfirma genannt. „Eine konkrete Verpflichtung, mit der Firma zu bauen, gibt es in den Kaufverträgen mit der Stadt nicht", betonte am Donnerstag die Stadt.
Das Angebot der Stadt für die Grundstücke in Zazenhausen hatte sich explizit an „Bauträger" gerichtet, also an Baufirmen, die solche Vorhaben in der Regel schlüsselfertig erstellen. Wie die kleine Firma PP und zwei Makler bei einem Deal über 2,8 Millionen Euro zum Zuge kamen, dürfte die Stadträte am Freitag auch interessieren.
VON MICHAEL ISENBERG, Stuttgarter Nachrichten
vom 23.11.2012
www.stuttgarter-nachrichten.de
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