Neue Suche nach einem Nahversorger

Zazenhausen. Im Ausschuss für Umwelt und Technik ist über die Versorgung im Gebiet Hohlgrabenäcker diskutiert worden.

Gereizte Stimmung herrschte am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik. Als Baubürgermeister Matthias Hahn den Tagesordnungspunkt „Nahversorgung im Gebiet Hohlgrabenäcker" aufrief, wurden im Zuhörerbereich Transparente entrollt, und der Geräuschpegel stieg deutlich an.

„Laden statt Ghetto", so lautete die Aufschrift auf einem der Transparente, die aufgebrachte Anwohner des Neubaugebiets Hohlgrabenäcker in die Höhe hielten. Zirka zwei Dutzend Vertreter des Bürgervereins Zazenhausen waren ins Rathaus gekommen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Sie fühlen sich verschaukelt, weil statt dem ihnen in Aussicht gestellten Supermarkt auf dem Grundstück Sauerkirschenweg 34 bis 38 insgesamt 24 Sozialwohnungen gebaut werden sollen (die Nord-Rundschau berichtete). Für einen Einkaufsmarkt sind nur noch 140 Quadratmeter vorgesehen, ursprünglich waren es 600 bis 800. „Ich habe kein Verständnis für den Begriff Ghetto", stellte Hahn nachdrücklich klar. Unterstützung fand er bei SPD-Stadträtin Roswitha Blind. „Armut ist kein Charakterdefizit", gab sie zu bedenken und betonte, dass Menschen mit mittlerem Einkommen wohl kaum am Hungertuch nagen. Grundsätzlich sei es Politik der Stadt Stuttgart, dass sowohl Besser- als auch Geringverdiener im selben Quartier leben können.

Weitaus schwerer im Magen als ein eventueller sozialer Brennpunkt liegt den Anwohnern die fehlende Nahversorgung. Ihrer Meinung nach müssen nach kompletter Aufsiedlung der Hohlgrabenäcker 4000 Menschen versorgt werden. Diese Zahl sieht Hahn als zu hoch an, er rechnet mit rund 3000 Menschen. „Das ist ein klassischer Fall einer Angebotsplanung", beschrieb er das Verfahren. Seitens der Stadt wären die großen Discounter angeschrieben worden, Interessent hätte sich keiner gefunden. Drei Firmen hätten abgesagt, eine gar nicht erst geantwortet. Deshalb habe letztendlich die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) den Zuschlag für das Grundstück bekommen. Die geplanten 24 Sozialwohnungen seien für ein Gebiet mit 375 Wohneinheiteh angemessen.

Hahn erläuterte, er habe mit Manfred Kaul, dem Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration (SBR), telefoniert. Die SBR betreibt in Stuttgart zwölf Bonusmärkte. Kaul habe ihm erklärt, er bräuchte zwischen 300 und 400 Quadratmeter. Die Anmietung eines Neubaus käme für die SBR wegen der Kosten nicht in Frage.

„Angesichts des Potenzials sind die Möglichkeiten nicht sehr gut", erklärte der Baubürgermeister im Bezug auf die Ansiedlung eines Nahversorgers und erntete Unmutsbekundungen aus den Zuschauerreihen. Gegenwind gab es auch von den Freien Wählern. „Ich würde mich im Stich gelassen fühlen", erklärte Rose von Stein. Die Leute seien mit Zusagen geködert worden, die nicht eingehalten würden. „Die Stadt ist in der Pflicht", sagte von Stein und forderte einen neuen „Suchlauf für die Nahversorgung". Unterstützt wurde sie dabei von der CDU. Die Stadt, das betonte Fraktionssprecher Alexander Kotz, habe doch bereits beim Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan vor fünf Jahren wissen müssen, dass sich wegen 3000 bis 4000 Anliegern keine der großen Supermarktketten für den Standort interessiere. Kotz plädierte ebenso für einen neuen Suchlauf wie dafür, auch mittelständische Betriebe zu kontaktieren und bei den Bonusmärkten nochmals nachzuhaken.

Helmuth Caesar, Technischer Geschäftsführer der SWSG, erläuterte, auf dem Areal Hohlgrabenäcker seien nach Abschluss des Projektes am Sauerkirschenweg keine weiteren Sozialwohnungen geplant. Könne die SWSG ihr Vorhaben nicht wie geplant verwirklichen, drohe ein Millionenverlust. Er könne sich vorstellen, „ein bis drei kleine Läden" wie beispielsweise einen Bäcker oder einen Tante-Emma-Laden anzusiedeln. Erste vielversprechende Gespräche liefen, garantieren ließe sich aber nichts.„Realitätssinn und Pragmatismus sind gefragt", sagte Caesar.

Baubürgermeister Hahn kündigte an, dass ein neuer Suchlauf gestartet werde und das Ergebnis in vier Wochen im UTA diskutiert wird. Die Anwohner zogen am Dienstag relativ enttäuscht von dannen. Sie wünschen sich, dass statt den geplanten 140 Quadratmetern mehr Platz in dem SWSG-Gebäude für einen Supermarkt reserviert wird. „Viele von uns denken über eine Sammelklage nach", sagte Christel Weigel. Bereits in dieser Woche wolle man sich mit einem Anwalt treffen.


Stein des Anstoßes: Statt eines großen Supermarktes sollen am Sauerkirschenweg
geförderte Mietwohnungen gebaut werden. Foto: Bernd Zeyer

Von Bernd Zeyer, Stuttgarter Nachrichten vom 30.09.2011
www.stuttgarter-nachrichten.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]