In Zazenhausen hängt der Haussegen schief

Zazenhausen. Anwohner des Neubaugebiets Hohlgrabenäcker fordern einen Supermarkt statt Sozialwohnungen.

In Zazenhausen hängt der Haussegen schief. „Wir befürchten eine Ghettobil dung", brachte Reinhold Weible, Vorsitzender des Bürgervereins, die Sorgen vieler seiner Mitbürger auf den Punkt. Grund ist ein Neubauvorhaben im Gebiet Hohlgrabenäcker. Am Sauerkirschenweg will die SWSG Sozialwohnungen bauen, Anwohnern war dort allerdings ein großer Nahversorger versprochen worden. Bei einem Infoabend ist am Montag in der Mehrzweckhalle hitzig diskutiert worden.

„Arglistige Vorspiegelung", „Tricksen und Mogeln", „Betrug" - einige der rund 150 Besucher der Diskussion hielten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Grund für den Unmut ist ein Bauprojekt: Anwohnern, die ins Neubaugebiet Hohlgrabenäcker gezogen sind, war zugesagt worden, dass am südöstlichen Ende des Areals ein 600 bis 800 Quadratmeter großer Supermarkt die Nahversorgung sichert. Diese Planung ist auf Werbetafeln heute noch zu sehen, auch der Zuffenhäuser Bezirksbeirat hatte sich dafür stark gemacht. Laut Stadtverwaltung hat man auch versucht, einen Supermarkt dorthin zu lotsen - allerdings ohne Erfolg. Deshalb hat die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) den Zuschlag für das Grundstück bekommen, sie will dort 24 Sozialwohnungen errichten. Für ein Ladengeschäft sind nur noch 140 Quadratmeter vorgesehen. „Das funktioniert nicht", erklärte Manfred Kaul, Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration (SBR), am Montag. Die SBR betreibt zwölf Bonusmärkte in Stuttgart. Laut Kaul ist die vorgesehene Fläche viel zu klein. Ohnehin sei von offizieller Seite noch niemand an ihn herangetreten.


Harsche Vorwürfe: Viele Anwohner fühlen sich verschaukelt.

Einerseits befürchten viele Anwohner, dass sich an ihrer momentan schlechten Versorgungslage auch in Zukunft nichts ändert. Andererseits macht der Begriff vom „Ghetto" die Runde: In direkter Nähe zu den geplanten 24 Sozialwohnungen, die in einem 64 Meter langen und vier Stockwerke hohen Block Platz finden sollen, gibt es schon 29 Wohnungen für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Um gegen das Projekt mobil zu machen, haben Anwohner eine Bürgerinitiative gegründet und rund 500 Unterschriften gesammelt.

Die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler (FW) fordert in einem Antrag von der Stadtverwaltung, sich mit der Thematik zu befassen. Es solle vor allem geklärt werden, ob die Pläne trotz des bereits erfolgten Baubeginns noch geändert werden können. Der Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA) wird in einer öffentlichen Sitzung am Dienstag, 27. September, darüber diskutieren. „Uns ist klar, wie wichtig die Nahversorgung in dem Gebiet ist", sagte FW-Stadträtin Rose von Stein am Montagabend. Fraktionskollege Stefan Palmer präsentierte eine ganz neue Idee. Er schlägt vor, auf der Freifläche unter dem Viadukt südlich der Blankensteinstraße einen großen Supermarkt zu bauen. Dort könnten, so Palmers Argumentation, auch Zuffenhäuser einkaufen und so den Standort für mögliche Investoren interessant machen. „Dieser Weg wäre der richtige", stimmte FDP-Stadtrat Bernd Klingler Palmers Vorschlag zu. Bei Anwohnern und Bürgerverein stößt diese Idee allerdings auf Ablehnung. Klingler hingegen glaubt nicht, dass sich an den SWSG-Plänen noch rütteln lässt: „Das Ding ist, wie es ist." Rechtlich könne man kaum etwas machen. Moralisch sei die Sache aber eine „Sauerei". Trotz dieser Aussage musste sich Klingler, ebenso wie Stadträtin Maria-Lina Kotelmann (SÖS/Linke), am Montag harsche Kritik anhören. Beide sitzen nämlich im Aufsichtsrat der SWSG.

Zwar ist bereits mit dem Aushub der Baugrube begonnen worden, momentan ruht die Arbeit aber. Anwohner haben nämlich einen vorläufigen Baustopp erwirkt. Begründet wurde der Eilantrag mit dem „Verdacht der Schaffung von Tatsachen." Seit Jahren, so Klägerin Christel Weigel, habe die Stadt versichert, dass auf das betreffende Grundstück ein Discounter komme. „Wir wollen, dass dieses Versprechen eingehalten wird", sagt Weigel. Nun muss das Verwaltungsgericht entscheiden, wie es weiter geht. Die Zazenhäuser wollen auf jeden Fall weiter Druck machen und bei der UTA-Sitzung am 27. September (Sitzungsbeginn 8.30 Uhr, mittlerer Sitzungssaal Rathaus, Tagesordnungspunkt 9) Flagge zeigen.

Verwunderung löst eine Ergänzung des Antrages der Freien Wähler aus, die nach der Info-Veranstaltung lanciert wurde. „Außerdem wurde in die Diskussion eingeworfen, dass für ein Nahversorgungszentrum auch andere Standorte, als der zur Zeit geplante, vorstellbar seien", heißt es dort. „Das ist falsch. Wir halten ganz klar am alten Standort fest", stellt Kathrin Scheck vom Bürgerverein klar.


Wegen einer Anwohner-Klage herrscht momentan Baustillstand.
Die Projektgegner hoffen nun aufs Verwaltungsgericht. Fotos: Bernd Zeyer (2)

Von Bernd Zeyer, Stuttgarter Nachrichten vom 23.09.2011
www.stuttgarter-nachrichten.de

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